Finanzminister Hans Jörg Schelling hat Grund zur Freude.

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Wien – Des Sparers Leid, der Staaten Freud: Die niedrigen Zinsen erleichtern den öffentlichen Händen bekanntermaßen die Bedienung der großteils hohen Schulden. Die Bundesfinanzierungsagentur Oebfa, die für die Republik das Schuldenmanagement durchführt, hat nun eine aktuelle Berechnung zur Entlastung durch die niedrigen Zinsen angestellt. Dabei wurde die Phase von 1999 (Euroeinführung) bis 2008 der Periode von 2009 bis November 2016 gegenübergestellt.

Das einigermaßen spektakuläre Ergebnis dieser Untersuchung: Die Zinslast hat sich um 52 Milliarden Euro reduziert, wie Markus Stix, Chef der Oebfa, im Gespräch mit dem STANDARD erläutert. Lag das Zinsniveau in der ersten Periode nach dem Start der Währungsunion für österreichische Staatsanleihen durchschnittlich bei 4,2 Prozent, sank es nach Ausbruch der Finanzkrise auf 1,8 Prozent. Die Entlastung für die öffentliche Hand hat sich dabei in den letzten Jahren deutlich gesteigert. Ungefähr seit Jahresbeginn notieren zehnjährige Staatsanleihen sogar im negativen Terrain. Investoren zahlen dem Staat also etwas dafür, dass sie ihm Geld borgen.

Abverkauf von Staatsanleihen

Das hat sich allerdings gerade geändert. Seit dem Wahlsieg Donald Trumps in den USA geht es mit den Zinsen deutlich nach oben. Bessere Konjunktur- und höhere Inflationserwartungen haben zu einem Abverkauf von Staatsanleihen geführt, durch den die Kurse fallen und die Renditen steigen. Zehnjährige Staatsanleihen werfen derzeit 0,6 Prozent ab. Innerhalb zweier Monate brachte das einen Anstieg von 0,7 Prozentpunkten.

Doch die Oebfa-Kreditaufnahme wirkt langfristig: Im Durchschnitt beträgt die Laufzeit österreichischer Anleihen gut acht Jahre. Das bedeutet, dass die in letzter Zeit billig aufgenommenen Gelder langfristig das Budget entlasten, zumal 95 Prozent der Schulden eine Fixverzinsung aufweisen. Stix: "Unser Portfolio ist gegenüber Zinsveränderungen sehr resistent." Der künftige Effekt ist in den 52 Milliarden Euro bereits enthalten. Die bisher schon eingefahrene Reduktion des Schuldendienstes durch die niedrigen Zinsen liegt laut Stix bei 17 Milliarden Euro.

Ende Oktober hat die Oebfa international für Aufsehen gesorgt, indem sie die erste 70-jährige Anleihe in der Eurozone ausgegeben hat. Die Verzinsung lag bei etwas mehr als 1,5 Prozent. Stix begründet den Schritt mit der flachen Zinskurve: Normalerweise steigt der Zins bei längeren Laufzeiten stärker an, weil die Gefahr einer Insolvenz, einer Währungsreform oder hoher Inflation mit zunehmender Frist steigt. Für Investoren können sich die niedrigen Risikoaufschläge rächen. Ein Anstieg des Zinsniveaus führt bei längerlaufenden Anleihen zu einem deutlich höheren Kursverlust als bei kürzeren.

"Risiken gibt es immer"

Stix findet die Begebung derart langlaufender Anleihen dennoch "seriös", zumal Investoren zunehmend versuchten, die Laufzeiten künftiger Verpflichtungen und die dafür gewählten Veranlagungen in Einklang zu bringen. "Risiken gibt es immer", betont der Oebfa-Vorstand, auch bei einer einjährigen Anleihe könne ein Crash wie nach der Lehman-Pleite dazwischenkommen.

Möglicherweise wird Österreich noch längere Anleihen begeben. Ein gerade in Begutachtung geschickter Gesetzesentwurf sieht die Ausweitung der maximalen Frist für Schuldverschreibungen der öffentlichen Hand auf 100 Jahre vor. Stix hält es für "sinnvoll", diese Möglichkeit zu schaffen. Das heiße aber nicht, dass diese Option in absehbarer Zeit auch genutzt werde. Auch das Begeben von 70-jährigen Anleihen ist schon seit drei Jahren möglich, Gebrauch wurde davon aber erst im Oktober gemacht. Mit der neuen Variante sei man jedenfalls für den "Wettbewerb am Kapitalmarkt gerüstet", erklärt Stix. (Andreas Schnauder, 2.12.2016)