In Polen gibt es sie noch, jene laute Zivilgesellschaft, die im ebenfalls nationalkonservativ regierten Ungarn oft vermisst wird. Ihr kräftigstes Lebenszeichen war kürzlich der Protest gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts: Die aufbegehrenden "Frauen in Schwarz" wurden von Demonstrantinnen in mehreren Städten Europas unterstützt, der Entwurf scheiterte danach im Parlament.

Gerade das gut ausgeprägte bürgerliche Selbstbewusstsein, das derzeit den Löwenanteil der positiven Imagepflege Polens im Ausland übernimmt, gerät daheim nun unter Druck. Für den Staat soll es künftig leichter werden, Proteste aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Verstummen werden diese deshalb auch künftig nicht, sie werden aber weniger sichtbar sein. Europaweite Solidaritätsaktionen, die sich im Übrigen nicht "gegen Polen" richten, sondern gegen konkrete Pläne der Regierung eines EU-Mitglieds, dürften damit unwahrscheinlicher werden.

Der Schritt der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hat aber noch einen strategischen Aspekt: Die Wojewoden, von der Regierung ernannte Statthalter in den Regionen, sollen künftig Demonstrationen bewilligen und werden dadurch aufgewertet. Warschau will also nicht nur der Bürgergesellschaft den Herrn zeigen, sondern auch den gewählten Regionalregierungen, von denen die meisten nicht in PiS-Hand sind. Die Devise im Umgang mit Kritikern scheint zu lauten: Deckel drauf statt Dialog. (Gerald Schubert, 30.11.2016)