Neue Operationstechniken sind effizienter und schonender. Deshalb ist häufig eine ambulante Behandlung ausreichend, betonen Augenmediziner.

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Wien – Die Augenchirurgie der Zukunft findet zu einem überwiegenden Teil ambulant statt. "Der Patient kommt morgens und geht mittags nach Hause", beschrieb Ursula Schmidt-Erfurth, die Leiterin der Klinik für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien das Konzept am Mittwoch bei einer Pressekonferenz anlässlich einer Fachtagung am Samstag, zu der internationale Experten nach Wien kommen werden.

Die Zukunft hat allerdings schon begonnen. An der Wiener Uniklinik werden Katarakt-OPs bereits seit mehreren Jahren ambulant durchgeführt, bei Glaukom- und Hornhautoperationen ist man nun ebenfalls zu diesem Modell übergegangen. Ermöglicht wird das durch neue Operationstechniken, die effizienter und schonender sind. Von Patienten gefürchtete Injektionen ins Auge, Vollnarkosen, Schnitte und Nähte werden ersetzt durch Lasertechnologie, Tropfen und Inzisionen von einem halben Millimeter Länge, die sich nach dem Eingriff von selbst verschließen, wie Schmidt-Erfurth und ihre Kollegen Rupert Menapace und Michael Georgopoulos erläuterten.

Für Patienten – unter ihnen viele Ältere – bietet das den Vorteil, dass sie ihre Alltagsroutine nicht für einen stationären Spitalsaufenthalt unterbrechen müssen und die früher durchaus aufwendige Nachsorge minimiert wird: Je schonender das Auge operiert wird, desto weniger gereizt ist es. "Die neuen Methoden bedeuten auch eine gewaltige Einsparung an Ressourcen", sagte Schmidt-Erfurth. Durch eine häufig auf ein Drittel verkürzte Dauer der Eingriffe – bei Katarakt, also Grauem Star – üblicherweise nicht einmal eine Viertelstunde – können die Ärzte mehr Patienten behandeln, sich also auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, wie es die Klinikleiterin formulierte.

Steigende Anzahl von Patienten

Der Pflegebedarf fällt bei ambulant durchgeführten Routineeingriffen weg. Die Augenklinik ohne Betten wird es vorderhand aber nicht geben: Für Patienten mit komplizierten Eingriffen werde man auf jeden Fall Betten bereithalten, um für Eventualitäten gerüstet zu sein. 90 bis 95 Prozent der Operationen an der Augenklinik könnten in Zukunft ambulant erfolgen, schätzt Menapace. Da der Patient schon kurz nach der OP ein gutes Sehvermögen hat, können auch beide Augen zugleich operiert werden – statt wie früher in einem mehrwöchigen Abstand. In solchen Fällen betrage die Ersparnis an sozioökonomischen Kosten laut einer skandinavischen Studie 740 Euro pro Patient, so Menapace.

Die theoretisch freiwerdenden Kapazitäten werden gebraucht. Aufgrund der steigenden Zahl alter Menschen habe die Anzahl der Kataraktoperationen in den vergangenen fünf Jahren weltweit um 40 Prozent zugenommen, sagte Menapace. In Österreich dürfte der Anstieg bei 20 Prozent liegen.

Ökonomische Aspekte

Schmidt-Erfurth kann sich vorstellen, dass es in Zukunft Augenzentren gibt, an denen solche ambulante Eingriffe durchgeführt werden. Da es Unterschiede in der Finanzierung von intramuralem Bereich und niedergelassenen Ärzte gibt, "müssen die wirtschaftlich Beteiligten überzeugt werden", sagte die Leiterin der Wiener Augenklinik – eine der größten Europas -, an der jährlich 15.000 Operationen durchgeführt werden. In Zusammenhang mit den Einsparungen sind auch Investitionen zu sehen. Lasergeräte kosten "nicht unter einer halben Million", so Schmidt-Erfurth, daher wären Standorte genau zu überlegen. Parallel dazu bedarf es auch Augenchirurgen mit ausreichend Skills.

Bei dem Fachkongress unter dem Titel ART (Advanced Retinal Therapy) 2016 am Samstag in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften soll das Thema nicht allein von der medizinischen, sondern auch von der ökonomischen Seite diskutiert werden. (APA, 30.11.2016)