Viele Pflanzen setzen Pollen ein, um Insekten anzulocken. Im Bild: eine Biene an einer Borretsch-Blüte.

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Wien – Sex bei Pflanzen spielt sich nicht nur deutlich leiser und unauffälliger ab als bei Mensch und Tier, er unterscheidet sich auch insofern, als er zum Funktionieren einen Dritten braucht. Die meisten Arten benötigen tierische Überträger, die den männlichen Pollen auf die weibliche Narbe befördern. Diese allerdings haben in der Regel andere Interessen und müssen daher irgendwie angelockt werden. Wie die Pflanzen das machen, war kürzlich Thema eines internationalen Symposiums zu Bestäubungsbiologie, das von der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Österreich in Wien veranstaltet wurde.

Viele Pflanzen setzen auf ein simples Belohnungssystem: Sie enthalten zuckerhaltigen Nektar oder überschüssigen Pollen, der für die Bestäuber – in den meisten Fällen Insekten – energiereiche Nahrung darstellt. Während sie diesen zu sich nehmen, kommen sie in Kontakt mit dem Pollen, den sie beim Besuch der nächsten Blüte an deren weiblichen Geschlechtsorganen hinterlassen.

Nicht bei allen Pflanzen jedoch steigen alle Beteiligten so gut aus. So betreiben sogenannte Aaspflanzen etwa eine ganz spezielle Art von Mimikry, über die Andreas Jürgens von der Technischen Universität Darmstadt referierte: Sie werden von Aasfliegen bestäubt und locken diese an, indem sie den Geruch von toten Tieren oder Kot verströmen. Damit hat es sich allerdings auch schon – zu beißen oder zu saugen gibt es für die bestäubenden Fliegen im Gegenzug nichts.

Umgekehrt laufen "anständige" Pflanzen, die eine Belohnung bereithalten, stets ihrerseits Gefahr, leer auszugehen: entweder, indem Tiere es schaffen, sich den Nektar oder Pollen ohne Bestäubungsleistung anzueignen, oder weil es die falschen Bestäuber sind.

Verlässliche Insekten

Um das zu verhindern, haben viele Pflanzen Strategien entwickelt, bei denen nur Insektenarten zum Zug kommen, die auch einigermaßen verlässlich für den Blumensex sorgen. So bietet etwa der heimische Gelbweiderich eine recht ungewöhnliche Belohnung, nämlich Öle, die von der Schenkelbiene als Nahrung für ihre Brut gesammelt werden. Die Abhängigkeit zwischen Pflanze und Insekt ist in diesem Fall so hoch, dass sie in Mitteleuropa nur gemeinsam vorkommen. Ölsammelnde Bienen gibt es aber auch in anderen Teilen der Welt, etwa in West- und Südafrika, Mittelamerika und Südostasen. Sie alle finden "ihre" Pflanzen vor allem durch deren speziellen Geruch.

Dieser ist zwar von Art zu Art verschieden, enthält jedoch, wie Stefan Dötterl von der Universität Salzburg und Kollegen herausfanden, immer Diacetin, eine farblose Flüssigkeit, die auch in der Lebensmittelindustrie verwendet wird. Gewöhnliche Bienen scheinen die Substanz nicht wahrnehmen zu können. Die Ölerzeuger und ihre Bestäuber bleiben folglich unter sich.

Es gibt jedoch noch bemerkenswertere Belohnungen: Düfte zum Beispiel. Florian Etl von der Universität Wien konnte an der Tropenstation La Gamba in Costa Rica beobachten, dass männliche Vertreter der Ölbienen-Gattung Paratetrapedia eifrig die Flamingoblume Anthurium acutifolium besuchten. Diese hält zwar kein Öl für sie bereit, verströmt aber zu einer bestimmten Tageszeit – nämlich zwischen neun und elf Uhr – einen intensiven Geruch. Genau dann kommen die Bienen-Männchen und reiben ihren Unterköper an den Blütenkolben der Pflanze. Dabei nehmen sie Pollen auf, den sie später auf die Narben anderer Blüten tragen und diese so bestäuben. Gleichzeitig sammeln sie mit spezialisierten Haaren am Bauch Duftstoffe, die sie benützen, um Weibchen anzulocken.

Doch nicht nur Insekten stehen im Dienst der pflanzlichen Reproduktion – manche Arten werden auch durch Vögel oder Säugetiere wie Fledermäuse oder Nagetiere bestäubt. Wie Petra Wester von der Uni Düsseldorf berichtete, übernehmen in Südafrika vor allem Mäuse und Elefantenspitzmäuse diese Aufgabe. Letztere zeichnen sich durch einen schmalen Rüssel mit langer Zunge aus. Damit können sie nicht nur Termiten aus ihrem Bau holen, sondern auch den Nektar aus langröhrigen Blüten, für deren Fortpflanzung sie dabei auch gleich sorgen. (Susanne Strnadl, 2.12.2016)