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Forbach, Deutschland: Der Stausee der Schwarzenbachtalsperre. Bei Touristen überaus beliebt, ist der See auch ein Anschauungsbeispiel für Gärungsprozesse am Seegrund. Die dabei entstehenden Emmissionen wurden lange Zeit unterschätzt.

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Wien – Man sieht es ihr nicht an. Die Schwarzenbach-Talsperre im Nordschwarzwald wirkt auf den ersten Blick wie eine Naturidylle, eingerahmt vom satten Grün am Rande eines Nationalparks. Vor allem im Sommer ist das Gewässer bei Touristen überaus beliebt. Im Nordwesten mündet der gleichnamige Bach ein. Das klare, kalte Wasser beherbergt so manche Forelle, aber nicht nur die Fische regen sich dort. Immer wieder steigen Gasbläschen an die Wasseroberfläche auf – wie in einem Mostfass. Am Grund des Sees geht offensichtlich etwas vor sich. Und das ist ein Problem.

Wasserkraft gilt meist als klimafreundlich, weil bei dieser Form der Stromerzeugung keine fossilen Brennstoffe verheizt werden. Ganz so einfach ist es aber nicht: Staubecken setzen sehr wohl Emissionen frei. Und diese wurden laut einer aktuell online im Fachmagazin BioScience veröffentlichten Analyse bisher deutlich unterschätzt: Die in den Stauseen entstehenden Treibhausgase relativieren die Kohlendioxid-Einsparungen der Wasserkraft sogar teilweise.

"Man darf sich hier nicht zu reich rechnen", sagt Arie Vonk, Ökologe an der Universität von Amsterdam und Koautor besagter Studie. Nach seinen Berechnungen entlassen sämtliche Stauseen der Erde jährlich das Äquivalent von rund 0,8 Gigatonnen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre. Das entspricht etwa 1,3 Prozent der globalen, von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen.

Die Ursache für den recht massiven Ausstoß ist an der Schwarzenbach-Talsperre gut zu beobachten. Am Grund des Sees gärt es, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Bach spült Blätter, Nadeln und kleine organische Partikel, sogenannten Detritus, in den See. All das setzt sich am Boden ab, wo es von einem Heer aus Mikroorganismen in Empfang genommen wird. An Land verrotten derartige pflanzliche Reste zu Humus, nicht jedoch unter Wasser. Durch die Beimischung von Sand und Schlick entsteht stattdessen eine satte Schlammschicht. Sauerstoff kann da kaum eindringen. Weil er fehlt, gedeihen in dieser Atmosphäre nur anaerobe Bakterien, die ebenfalls vom abgelagerten organischen Material leben. Um Energie zu gewinnen, setzen sie auf spezielle chemische Reaktionswege. Die Folge: Es wird unter anderem Methan statt Kohlenstoffdioxid produziert. Ersteres heizt den Treibhauseffekt aber 34-mal stärker an als Letzeres. Das macht Methan zum Schreckgespenst des Klimaschutzes.

Widerspenstiges Gas

Methan löst sich viel schlechter in Wasser als Kohlenstoffdioxid und neigt deshalb dazu, sich bläschenweise im Boden anzusammeln. Von dort aus steigt es nicht gleichmäßig auf. Sinkt zum Beispiel der Luftdruck, sprudelt mehr Gas an die Oberfläche. Auch ein sinkender Seepegel, in Staubecken nichts Außergewöhnliches, führt zu verstärkten Ausdunstungen. Für Forscher sind solche Schwankungen eine gewaltige Herausforderung. Sie müssen ihre Messungen über lange Zeiträume hinweg machen, sonst gibt es keine belastbaren Ergebnisse. Abgesehen davon ist die Methanproduktion in einem Stausee nicht gleich verteilt. Je mehr organisches Material, desto mehr Methan. Das betrifft nicht nur die Einmündungen von Fließgewässern, sondern auch Mulden im Bodenprofil. All dies muss bei Messkampagnen ausreichend berücksichtigt werden. Viele frühere Studien taten das nicht.

Die riskanten Ausdünstungen von Stauseen beschränken sich allerdings nicht auf Methan. Kohlenstoffdioxid setzen sie ebenfalls frei, und eher geringe Mengen Lachgas, das jedoch 298-mal klimarelevanter ist als Kohlenstoffdioxid. In Summe ergeben diese Einträge den oben erwähnten Wert von 0,8 Gigatonnen pro Jahr. Die Berechnungen weisen aber noch einige Unsicherheiten auf, wie Arie Vonk betont: Es könnten auch 0,5 oder sogar 1,2 Gigatonnen sein. "Die größte Rolle spielt die Methanbilanz." Die Methanemissionen dürften etwa 25 Prozent über den bisher ermittelten Mengen liegen.

Tote Algen als Futter

Nicht nur messtechnisch, auch ökologisch gesehen ist das Thema recht kompliziert. Hier kommen die einzelligen Algen ins Spiel. Wie viel Methan insgesamt in einem See entsteht, hängt nämlich stark von seinem Einzugsgebiet ab. Nicht selten gelangen von dort reichlich Nährstoffe ins Gewässer, zum Beispiel aus landwirtschaftlichem Dünger. In der Folge kommt es zu Eutrophierung und Algenblüten, erklärt Vonks Kollegin Bridget Deemer von der Washington State University. Die daraus hervorgehende Biomasse sei für die anaeroben Bakterien im Boden ein geradezu ideales Futter. Der Hintergrund: Tote Algen enthalten mitunter viel Fett – energiereiche, gut verdauliche Kost für andere Mikroorganismen. Das kurbelt die Methanproduktion an.

"Stauseen in oligotrophen Systemen haben viel geringere Emissionen", so Arie Vonk. Für Mitteleuropa heißt das: Die Klimabilanz von hochalpinen Becken, vor allem oberhalb der Baumgrenze, ist wesentlich besser als die von Seen in Tälern und im Tiefland. Dennoch lässt sich auch dort die Situation verbessern, meint Vonk: "Es müssen Maßnahmen getroffen werden, um die Nährstoffeinträge zu verringern". Den Flüssen würde dies ebenfalls zugutekommen.

Für die Zukunft wirft die Studie einige neue Fragen auf. Weltweit sind zurzeit 847 große und 2853 kleinere Staudämme in Bau oder in der Planung. Auch sie dürften nach der Fertigstellung jede Menge Treibhausgase freisetzen. Wie stark ihre Ausdünstungen zur Erderwärmung beitragen werden, ist derzeit noch nicht absehbar. In den Klimamodellen des Weltklimarats der Vereinten Nationen jedenfalls fehlen sogar die heutigen Stausee-Emissionen. "Da ist noch viel zu tun", sagt Arie Vonk. (Kurt de Swaaf, 4.12.2016)