In komplexen Modellen simuliert Kristin Richter den Einfluss von Vulkanen auf den Meeresspiegel.

Foto: Ivana Stiperski

Innsbruck – Dass der Meeresspiegel ansteigt, ist bekannt. Der globale Anstieg im 20. Jahrhundert betrug rund 17 Zentimeter. Viel weniger verbreitet ist aber das Wissen darüber, dass es dabei regional große Unterschiede gibt. "Mit dem globalen Wert ist wenig anzufangen", sagt Kristin Richter. Die Forscherin aus dem Fachgebiet der physikalischen Ozeanografie ist auf die Untersuchung des Meeresspiegels spezialisiert.

Dessen Veränderungen hängen von vielen Faktoren ab: Zunehmende Erwärmung der Meere, Winde und Änderungen der Luftdruckverhältnisse und nicht zuletzt das Abschmelzen von Gletschern beeinflussen den Meeresspiegel. Regional wirken sich zudem Grundwassernutzung, künstliche Bewässerung oder der Bau von Dämmen aus.

Richter arbeitet mit Computermodellen, die riesige Datenmengen verarbeiten. Die Forscherin manipuliert damit verschiedene "Antriebsdaten", etwa der Kohlendioxid-Emission, und kann so Auswirkungen auf den Meeresspiegel an konkreten Orten simulieren. In ihrem Postdoc-Projekt am Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck will Richter nun herauszufinden, wie sich große Vulkanausbrüche auf den Meeresspiegel in unterschiedlichen Regionen auswirken.

Ein Vulkanausbruch bringt Asche und Gase in die Atmosphäre und sorgt dadurch kurzfristig für Abkühlung, was oft ein Absinken des globalen Meeresspiegels zur Folge hat, sagt Richter. Doch auch hier gelte, dass die Veränderungen regional sehr unterschiedlich sein können. Die Ozeanografin will daher ein Verfahren entwickeln, um die Folgen solcher Ereignisse künftig rasch und einfach berechnen zu können.

Für ihre Arbeit erhielt sie heuer ein L'Oréal-Stipendium zugesprochen, das in Kooperation mit der Unesco-Kommission und der Akademie der Wissenschaften vergeben und vom Wissenschaftsministerium mitfinanziert wird. 1981 im deutschen Gardelegen geboren, hat Richter in Potsdam Physik und im norwegischen Bergen Physikalische Ozeanografie studiert. Die "Physik der Meere" habe mit mariner Ozeangeografie gar nichts zu tun, sagt sie. Allerdings sei die Forschung am Meeresspielgel interdisziplinär und ihre Arbeit passe gut an die Uni Innsbruck, wo viel Gletscherforschung betrieben werde.

"In erster Linie macht es mir Spaß, mit großen Daten zu arbeiten, aber ich finde es auch sehr schön, dass meine Forschung globalen Nutzen hat und praktisch helfen kann", so Richter. Wenn die Bewegung des Meeresspiegels besser abgeschätzt werden kann, ließen sich auch Präventionsmaßnahmen sinnvoller planen. Obwohl ihre Forschung im Zeichen der Natur stehe, finde sie am Schreibtisch statt. Ausgleich sucht Richter in ihrer Freizeit daher im Grünen, etwa bei Joggen.

Das "For Women in Science"-Stipendium unterstützt Frauen in Übergangsphasen der wissenschaftlichen Karriere. Richter befindet sich derzeit zwischen zwei Projekten: Die Erforschung von Vulkanausbrüchen ist eine Vorarbeit zu ihrem zweiten Postdoc-Vorhaben, mit dem sie sich habilitieren will. Darin will sie noch weitere Faktoren, die auf den Meeresspiegel Einfluss nehmen, untersuchen. Der Fokus soll auf der Sonnenaktivität und menschengemachten Faktoren liegen. (Julia Grillmayr, 3.12.2016)