Bitterkalter Novemberwind wehte am Dienstagmorgen eine Hundertschaft in- und ausländischer Journalisten in den Presseraum der SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße. Dort, gleich hinter dem Burgtheater, bemühten sich die Chefs der heimischen, der deutschen und der schwedischen Sozialdemokraten nach Kräften, gegen die soziale Kälte anzureden, die sich ihrer Meinung nach dieser Tage über Europa gelegt hat.
"Unser Ziel ist es, eine Allianz zu bauen, die für einen Politikwechsel in Europa eintritt", sagte Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern, der gemeinsam mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und dem schwedischen Premier Stefan Löfven zu diesem Zweck einen "Europäischen Pakt für sozialen Fortschritt" präsentierte, mit dem die Sozialdemokraten einen Kurswechsel in Europa herbeiführen wollen. Und das, so Kern, besser heute als morgen: "Europa darf kein Projekt sein, von dem nur einige wenige profitieren."
Antwort der Rechten
Die Erben Bruno Kreiskys, Willy Brandts und Olof Palmes sehen den Kontinent unisono "vor einem Abgrund", Brexit hier, Donald Trump da, was es brauche, sei nichts weniger als eine Neuorientierung der EU. Denn die "alten Nationalisten" nutzten die Sorgen und Probleme der Menschen aus, um an die Macht zu gelangen, warnte Gabriel. Viele dieser Probleme seien freilich die Folge falscher europäischer Politik. "Die Botschaft Europas an die Arbeitnehmer: 'Passt euch an, anders geht es nicht' hat von den Rechten eine Antwort bekommen."
Und doch ist für drei Sozialdemokraten hierbei das letzte Wort noch nicht gesprochen. "Wir brauchen einen politischen Action Plan", sagte Kern und verwies auf den zentralen Punkt des nun präsentierten Pakts, der neben den vier EU-Grundfreiheiten – Dienstleistungs-, Kapital-, Personen- und Warenverkehrsfreiheit – eine "fünfte Säule, eine soziale Säule" vorsieht.
Einfache Losung
Konkret solle dies "mehr fiskalpolitische Flexibilität" für Investitionen in Wachstum und Arbeitsplätze und die Stärkung sozialer Grundrechte gegenüber den wirtschaftlichen Freiheiten in der EU bedeuten. Steuerbetrug und -vermeidung durch Großkonzerne wollen die Sozialdemokraten künftig energischer einen Riegel vorschieben, dadurch soll mehr Geld in die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit fließen. Die Losung "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" soll Sozialdumping verhindern und das Wohlstandsgefälle innerhalb der EU verkleinern.
Dass der sprichwörtliche Hut längst brennt, war den Herren in der Löwelstraße natürlich bewusst. "Wenn wir so weitermachen wie bisher, ist ein Scheitern der EU nicht auszuschließen", malte der deutsche Gewerkschaftschef Reiner Hoffmann den Teufel an die Wand. Und das sei schließlich in niemandes Interesse, war man sich einig. (Florian Niederndorfer, 29.11.2016)