Es ist schon eine Weile her, aber der Fall sollte angesichts der aktuellen Diskussionen über Beschränkungen von Demonstrationen noch einmal hervorgekramt werden. Es war 1999, als der chinesische Staatspräsident Jiang Zemin Österreich einen Besuch abstattete. Die Behörden untersagten eine beantragte Protestkundgebung der Bewegung "Save Tibet". Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, wie es hieß. Und das, obwohl die Organisatoren von lediglich fünf bis zehn Versammlungsteilnehmern ausgegangen waren.

Nun lässt sich trefflich darüber streiten, ob der Anblick chinakritischer Transparente in den Händen einer kleinen Gruppe von Demonstranten den hohen Gast in Wallung gebracht hätte. Auch mag man geteilter Meinung sein, ob eine Verärgerung des Staatschefs den einen oder anderen Geschäftsabschluss vereitelt hätte. Wenig Spielraum lässt der Rechtsstaat in der Frage: Die Versammlungsfreiheit zählt zu den Grundrechten, die in Verfassung und Menschenrechtskonvention verankert sind. Klarerweise kippte der Verfassungsgerichtshof den Bescheid der Polizei.

Beschränkungen, die wegen angeblicher Geschäftsschädigung diskutiert werden, sollten in diesem Lichte gesehen werden. Dass der Handel unter den Demonstrationen leidet, mag sein. Doch das Versammlungsrecht steht eindeutig über den geschäftlichen Interessen.

Andererseits wuchsen einige Demos in letzter Zeit aus. Dass Verkehr und Geschäft von Udo-Jürgens-Bademantel-Kundgebungen und Hanfwandertagen massiv beeinträchtigt werden, sorgt für Unverständnis. Die Wirtschaft fordert daher fixe Plätze für Versammlungen. Das ist überzogen – Proteste müssen dort möglich sein, wo sie gehört werden. Aber mehr Vernunft bei der räumlichen Ausbreitung wäre möglich. Nicht jedes Anliegen – mag es auch noch so berechtigt sein – muss halbe Städte blockieren. (Andreas Schnauder, 28.11.2016)