Die Einvernahme wurde nach wenigen Minuten abgebrochen.

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Wien – "Was ist?", waren laut Zeugin die letzten Worte, die das Opfer von sich gab, ehe Francis N. der Frau den Schädel mit einer kiloschweren Eisenstange zertrümmerte. Auf eine Art und Weise, dass "ich es in 30 Jahren noch nicht gesehen habe", wie der psychiatrische Sachverständige Karl Dantendorfer dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Ulrich Nachtlberger erklärt.

Dantendorfer ist es auch, der den Laienrichtern die Erklärung liefert, warum der 21-Jährige in der Nacht des 4. Mai am Brunnenmarkt in Wien-Ottakring zwar einen Mord an einer zufälligen Passantin begangen hat, dafür aber nicht verurteilt werden kann. Denn N. leide an paranoider Schizophrenie und sei definitiv zurechnungsunfähig.

Kaum Erinnerung an Tat

Den Eindruck macht der Betroffene auch bei der Einvernahme durch Nachtlberger, die in dem gut gefüllten Großen Schwurgerichtssaal etwa fünf Minuten dauert. "Können Sie sich erinnern, was da war?", fragt er via Dolmetscherin den gebürtigen Kenianer. "Ich kann mich nicht erinnern. Ich glaube, da war eine Frau, und ich habe sie mit Metall geschlagen."

"Das wird nicht wahnsinnig viel Sinn haben, wenn wir da jetzt weitermachen", sagt der Vorsitzende zu seinen Beisitzerinnen. Weiß er doch auch aus den bisherigen Gesprächen bei Polizei und Sachverständigen, dass N. kaum zusammenhängend aussagen kann.

Auch als dieser auf der Anklagebank Platz nimmt, merkt man, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Immer wieder starrt er ausdruckslos ins Leere, schreckt kurz auf, wenn jemand spricht.

Mindestens achtmal zugeschlagen

Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp schildert dem Gericht im Detail die Verletzungen der Frau. Auch er sagt, dass der Fall in 23 Jahren Praxis an Brutalität schwer zu übertreffen sei. Mindestens achtmal habe der Betroffene der Frau wuchtig auf den Schädel geschlagen. Unfreiwillig komisch wirkt seine Conclusio: Die Verletzungen "sprechen eindeutig für einen Tod durch fremde Hand".

Ein Tod, der aus Sicht des Verteidigers Richard Soyer verhinderbar gewesen wäre. Er ortet in seinem Eröffnungsplädoyer ein "multiples Behördenversagen". Sein Mandant müsse schon seit Jahren an den von Dantendorfer diagnostizierten optischen und akustischen Wahnvorstellungen gelitten haben, sei aber nie behandelt worden. "Insofern ist auch er ein Leidtragender", sagt Soyer.

"Dieser Fall ist dramatisch, für einen Mediziner aber relativ einfach", leitet der psychiatrische Sachverständige seine Stellungnahme ein. Die Krankheit aus dem schizophrenen Formenkreis "ist nicht spielbar", ist er überzeugt. Eine Aussage, die insofern bemerkenswert ist, als im Grazer Amokfahrerprozess einer von drei Kollegen Dantendorfers zu genau diesem Schluss gekommen ist.

Schon früher gewalttätig

Dantendorfer verweist auch auf N.s Vorgeschichte. "Er hat schon 2015 zweimal Frauen mit einer Eisenstange angegriffen. Und ein paar Monate vor dieser Tat wurde er mit heruntergelassener Hose und einer Axt in der Hand von der Polizei angetroffen."

Warum damals weder Polizei noch Justiz ein Gutachten erstellen ließen, muss die von Justizminister Wolfgang Brandstetter eingesetzte "Soko Brunnenmarkt" noch genau klären. Auf Nachtlbergers Nachfrage stellt Dantendorfer jedenfalls klar: "Die Krankheit ist behandelbar."

Der Psychiater möchte daher auch eines klarstellen: Rund ein Prozent der Menschen seien weltweit von der Krankheit betroffen, nur ein verschwindend kleiner Teil begehe Straftaten. N. dagegen sei so schwer krank, dass er trotz seiner derzeitigen Behandlung "nach wie vor so gefährlich wie zum Tatzeitpunkt ist".

Einstimmige Entscheidung

Die logische Konsequenz ist, dass das Gericht nach kurzer Beratung entscheidet, den Betroffenen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, eine Entscheidung, die noch nicht rechtskräftig ist.

Alfred Boran, Opfervertreter des Witwers, kündigt in einer Verhandlungspause an, er sei zuversichtlich, dass die Republik seinem Mandanten noch vor Weihnachten einen Schadenersatz leisten werde. Wie viel der Mann, der den Prozess ruhig verfolgt hat, fordert, will Boran nicht verraten. Er weist aber darauf hin, dass die höchste bisher zugesprochene Summe bei 25.000 Euro liegt. (Michael Möseneder, 28.11.2016)