Zwei Milliarden Dollar: Die Rede von dieser gespenstisch hohen Summe geht um in Amerika. Zwei Milliarden Dollar soll die Sendezeit wert gewesen sein, welche Donald Trump im Vorfeld der US-Wahlen gratis lukriert hat. Der New Yorker Hochhäuslbauer mag als Rüpel und schlecht frisiert gelten, aber eines hat er begriffen: wie man monatelang die Medien zum Nulltarif für seine eigenen Vermarktungszwecke einspannt. Zwei Milliarden Dollar wären auch für den schwerreichen Trump keine Erdnüsse gewesen.

Nennen wir es einen Fall von politisch nutzbar gemachtem Tourette-Syndrom oder, bündiger, das "Modell Rohrspatz". Es funktioniert so: Man nutze jede sich bietende Gelegenheit, in der Öffentlichkeit über alles und jedes zu wettern und Ungeheuerlichkeiten sonder Zahl von sich zu geben: Frauen bluten unten raus, Atombomben werfen, warum denn nicht, Mexikaner sind alle Vergewaltiger, Folter, eine feine Sache und so fort.

Mit diesen Ansagen kreiert man per se schon jede Menge medialen Radau. Damit nicht genug. Man triggert damit auch todsicher den Entrüstungsreflex des liberalen Kommentariats, was der Sache dann abermals eine willkommene Präsenz und Breitenwirkung verleiht.

Gegen den Drang des moralisch inspirierten Weltverbesserungsjournalisten, sich öffentlich als Lordsiegelbewahrer des Guten, Wahren und Schönen zu präsentieren, sind Pawlows Hunde ein Lercherl, das hat Trump verstanden wie kein Zweiter. Rory Sutherland, der als Vizechef der Ogilvy-Gruppe in Großbritannien weiß, wovon er redet, greift im Spectator zu diesem Vergleich: "Tugend zu signalisieren ist wie Bettnässen: Kurzfristig bekommt man davon ein nettes warmes Gefühl, aber danach fängt alles an zu stinken."

Der President Elect, welch Überraschung, hat inzwischen, sehr zum Verdruss seiner Anhänger, einige seiner Ansagen revidiert: kein Gerichtsverfahren gegen Hillary Clinton, am Treibhauseffekt ist etwas dran, Gefangene zu foltern muss wirklich nicht sein etc. etc. Ich würde aber darauf wetten, dass Trump schon jetzt einige aparte Schmankerln in petto hat, die er der journalistischen Tugendfraktion bei nächster Wahlkampfgelegenheit vorwerfen wird. Zur Dialektik des "Kampfs der Tugend gegen den Weltlauf" gäbe es übrigens in der Phänomenologie des Geistes einiges nachzulesen. (Christoph Winder, Album, 25.11.2016)