Weil bei der Planung der gesamte Lebenszyklus Beachtung fand, wurden das Wohnprojekt Wien von einszueins Architektur (links) ...

Foto: Hertha Hurnaus

... sowie das Verwaltungs- und Betriebsgebäude der Windkraft Simonsfeld AG, geplant von Georg Reinberg, vor kurzem ausgezeichnet.

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"Die Lebenszykluskosten", erzählt Architekt Georg Reinberg, "waren bei diesem Projekt von der ersten Minute an extrem wichtig. Der Bauherr hat eine Handvoll Architekten zum Wettbewerb geladen und bereits in der Entwurfsphase jedes einzelne Projekt in Hinblick auf Energie- und Betriebskosten durchrechnen lassen. Die groben Analysen haben bereits einen ersten Vorgeschmack auf die mögliche Zukunft gegeben."

Für diesen ungewöhnlichen, in der Immobilienbranche einzigartigen Ansatz wurde das von Reinberg realisierte Projekt letzte Woche als einer von insgesamt zwei Preisträgern mit dem Lebenszyklus-Award 2016 ausgezeichnet. Die Rede ist vom Verwaltungs- und Betriebsgebäude der Windkraft Simonsfeld AG in Ernstbrunn, Niederösterreich.

Der Hybridbau aus Holz und Beton, der in Zusammenarbeit mit M.O.O.CON und dem Österreichischen Institut für Baubiologie und Bauökologie (IBO) entwickelt wurde, ist seit Anfang 2014 in Betrieb und wird seitdem regelmäßig überprüft und ausgewertet.

Während die Werks- und Montagehalle, in der Windkraftelemente gewartet und repariert werden, als reiner Holzbau ausgeführt wurde, zieht sich durch den Bürotrakt eine lehmverputzte Betonwand als speicherfähige Masse. Die Fassade besteht aus Massivholz mit Zellstoffdämmung.

Hauseigene Elektroautos

Die Haustechnik des 1500 m² großen Hauses umfasst Grundwasserthermie, Solarthermie, Fotovoltaik, Windkraft sowie eine kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Üppige Bepflanzungen in den Allgemeinflächen unterstützen die Feuchteregulierung der Innenräume. Sechs hauseigene Elektroautos, die mit der überschüssigen Energie des Hauses gespeist werden, dienen als Pufferspeicher.

"Die Qualität der eingereichten Projekte war durch die Bank sehr hoch", sagt der Juryvorsitzende Christoph Achammer von ATP Architekten und Ingenieure. "Die beiden Hauptpreise, die wir vergeben haben, spiegeln nicht nur ein sehr umfassendes Verständnis des Lebenszyklus wider, sondern sind auch der Beweis dafür, dass ein ganzheitlicher Ansatz bei hochwertiger Planung eine sehr, sehr hohe Gestaltungsqualität zur Folge hat."

Noch, so Achammer, sei es keine leichte Aufgabe, den Protagonisten der Immobilienbranche die Wichtigkeit einer lebenszyklusorientierten Planung begreiflich zu machen. "Mit Ausnahme der Nutzer denken die meisten sehr kurzfristig. Der Horizont vieler Developer und Investoren reicht nicht weiter als bis zur Optimierung der monetarisierten Quartalsergebnisse. Das ist nicht berühmt."

Planung mit 67 Erwachsenen

Dass der Blick auch weiter in die Zukunft schweifen kann, beweist das Wohnprojekt Wien von einszueins Architektur, das ex aequo ebenfalls mit dem Lebenszyklus Award 2016 prämiert wurde. Das vom gemeinnützigen Bauträger Schwarzatal errichtete Haus auf dem ehemaligen Nordbahnhofareal ist Resultat eines ganzheitlichen Partizipationsprojekts.

"Dass es hier gelungen ist, 67 Erwachsene zu gewinnen, die vom Städtebau bis zur Steckdose mitgedacht und mitgeplant haben, ist außergewöhnlich", sagt Markus Zilker, Partner bei einszueins. "Bei diesem Projekt war es selbstverständlich, die Lebenszykluskosten mitzudenken. Umfassender als in diesem Beispiel kann man Nachhaltigkeit kaum denken."

Doch, so Zilker, in der Betrachtung der Branche sei das Thema viel zu wenig präsent. "Generell steckt die Sensibilität für den Lebenszyklus noch ziemlich in den Kinderschuhen. Auf einer Skala von null bis zehn würde ich sagen, sind wir gerade mal bei zwei angekommen." Vielleicht hat der Award dazu beigetragen, die nächsten acht Schritte schmackhafter zu machen. (Wojciech Czaja, 25.11.2016)