Roboter Pepper wurde designt, um mit Menschen zu leben und ihnen zu helfen. In Japan wurde die Idee schon anerkannt.

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Joe Gemma, Präsident des internationalen Robotik-Verbands IFR, blickte ein wenig, als müsse er diese Zahlen noch mal überprüfen: "Es ist die interessanteste Zeit in den 30 Jahren, in denen ich in der Industrie tätig bin", sagte er bei der Vorstellung des World Robotics Berichts 2016.

Zwischen 1990 und 2005 war der Industrierobotermarkt alle fünf Jahre um 20 Prozent gewachsen. Doch in den vergangenen fünf Jahren schnellte das Wachstum auf 54 Prozent hoch. Und in den kommenden fünf Jahren soll es noch einmal um 59 Prozent mehr installierte Industrieroboteranlagen weltweit geben. Investmentmanager bezeichnen die Robotik als eine der größten Anlagechancen des Jahrzehnts. Erst seit etwa einem Jahr sieht man Initiativen für Anleger.

Der Schweizer Vermögensverwalter Pictet legte im Oktober 2015 den ersten Robotics-Aktienfonds auf, der in Europa einen Markterfolg erzielen konnte. Heuer folgte die Credit Suisse mit einem Konkurrenzprodukt. Vor diesen beiden gab es laut Pictet in Europa nur den "FCM Robotique" der Gesellschaft C&M Finances (Anfang 2015 in Frankreich), das Fondsvolumen liegt derzeit allerdings bei lediglich rund 26 Millionen Euro (Stand Mitte November). Pictet-Robotics ist mittlerweile knapp 1,4 Milliarden Euro schwer. Credit Suisse kommt auf rund 80 Millionen Euro.

Große Nachfrage

"In Deutschland ist das Schlagwort Industrie 4.0 positiv besetzt. Die Deutschen sehen es als erwiesen, dass sie Industrie im Land halten konnten, weil sie ihre Produktion modernisiert haben. In Frankreich dagegen verkaufen die Kollegen unseren Fonds kaum, weil die Robotisierung dort als Bedrohung für die Arbeitsplätze wahrgenommen wird", sagt Walter Liebe, Senior Advisor bei Pictet. Zahlen für Österreich erfährt man nicht, nur, dass auch hier die Nachfrage "sehr groß" sei.

Wer die neue Investmentmöglichkeit annimmt oder nicht, das war eine der größten Überraschungen für die Fondsexperten. Als Nikko Asset Management im Sommer 2015 den ersten Robotikfonds Japans startete, ging man davon aus, dass hauptsächlich junge männliche Anleger aufspringen würden. Doch schnell entpuppte sich der Fonds als Hit vor allem bei Frauen und älteren Investoren, erklärte Gründer Naofumi Chiba der "Financial Times". Im technikverliebten Japan, das gleichzeitig gegen eine sehr fortgeschrittene Bevölkerungsalterung kämpft, leuchtet es dem praktisch denkenden Durchschnittsanleger ein, dass an der Robotik kein Weg vorbeiführt. Ein Jahr nach dem Start war der Fonds von einer Milliarde auf fünf Milliarden Dollar angewachsen.

Ähnlich die Erfahrung in Europa: "IT-Investments sind immer volatiler. Daher dachten wir, die Fondskäufer würden nicht nur technik-, sondern auch risikoaffiner sein. In Wirklichkeit hatten wir die größten Erfolge als Erstes bei den Sparkassen- und Volksbankkunden, also bei den sparbuchaffinen Anlegern", sagte der Pictet-Experte. Konkurrenten arbeiten an ähnlichen Angeboten.

Gut überlegen

Abseits dieser wenigen aktiv verwalteten Robotikfonds stehen Anlegern zwei ETFs zur Verfügung. Diese börsengehandelten Fonds bilden pauschal einen Robotikindex nach: Seit Anfang 2015 kann man in den "Robo Global Robotics and Automation Go Ucits ETF" investieren und seit ein paar Wochen in den "iShares Automation & Robotics Ucits ETF". Bei diesen passiven Fonds sind die Gebühren geringer. Doch gerade in sehr innovationsgetriebenen und sich schnell ändernden Sparten müssen sich Anleger passive Vehikel gut überlegen.

Bis zur nächsten Indexanpassung greift in der Regel niemand ein, um bei einem Titel die Reißleine zu ziehen und beim anderen zuzukaufen. Doch egal, ob aktiv oder passiv verwaltet – Sektorenfonds sind wegen ihrer thematischen Einschränkung nur als Beimischung geeignet, nie als Basisinvestment. Der Blick auf die Geografie offenbart ebenfalls Konzentrationsrisiken: Sowohl die aktiven Fonds als auch die ETFs sind allesamt um die 70 Prozent allein in den zwei Ländern USA und Japan investiert.

So unaufhaltsam die Roboterisierungserfolge den Anlegern heute erscheinen mögen, so wenig müssen sie eintreten. Dass die Robotik als Anlagethema erst jetzt einschlägt, darauf hätte am allerwenigsten wohl Joe F. Engelberger gewettet, der Vater der Robotik. Engelberger baute mit George Devol den ersten Industrieroboter (ab 1961 bei GM im Einsatz). Er zeigte sich gut zehn Jahre vor seinem Tod (2015) enttäuscht: Die Robotikentwicklung stagniere, sagte er.

Während es in Einzelbereichen wie künstlicher Intelligenz, Spracherkennung oder maschinellem Sehen große Fortschritte gab, habe niemand das alles kombiniert, um den Quantensprung hinzulegen, den man sich in den 1960ern erhofft hatte.

Reale Gewinne

Andreas Müller, Chef des Robotikinstituts an der Johannes-Kepler-Universität, weist das zurück: "Roboter haben uns von schweren Arbeiten befreit. Jetzt geht es in Bereiche wie 'machine learning' und 'deep learning'. Der Durchbruch wird sein, dass die Systeme viel intelligenter sind. Die Idee der neuronalen Netze ist an sich alt, aber jetzt ist die Rechenleistung größer."

Bleibt die Frage, ob eine Überhitzung droht? "Das hier hat nichts mit der Dotcom-Blase gemein", sagt Pictet-Experte Liebe. "Damals investierte man in Hoffnungsmärkte und Geschäftsmodelle, die noch keinen Absatzmarkt hatten. Heute erwirtschaften die Unternehmen reale Gewinne."

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis je Aktie liege im breitgestreuten MSCI-World-Index bei 17, bei Pictet Robotics auf 19 (Mitte November). "Ein kleiner Abstand, wenn man bedenkt, dass Robotik-Gewinne in den nächsten fünf Jahren zwischen 20 und 25 Prozent jährlich zulegen", so Liebe. (Edith Humenberger-Lackner, Portfolio 2016)