Seestadt und Seequartier mit dem Bahnhof in der Mitte, Modell aus dem Jahr 2013.

Foto: Anna-Lina Chuter

Bregenz – Zwei Großprojekte sollen Bregenz ein neues Aussehen verleihen. Die Seestadt, auf dem Areal des alten Bahnhofs, will attraktive Handelsflächen statt wie die letzten 20 Jahre Parkraum bieten, das Seequartier rund um den neuen Bahnhof soll mit Tourismus-, Wohn- und Gewerbeflächen Innenstadt und Vorstadt verbinden.

Herzstück des Seequartiers wird der neue Terminal für Bahn und Bus. Der bestehende Bahnhof wird abgerissen und durch ein Gebäude parallel zu den Schienen ersetzt. Soweit die Absichtserklärungen.

Baubeginn für die Seestadt sollte zuletzt im Herbst 2015 sein, den Bahnhof wollte man laut Ankündigung im Jänner 2016 im Laufe des Jahres abreißen. Die Seestadt ist immer noch Parkplatz, und Bregenz muss sich noch länger damit abfinden, den hässlichsten Bahnhof Österreichs zu haben (Ergebnis einer Kundenumfrage).

Geht es nach Bürgermeister Markus Linhart (VP) und der Errichtergesellschaft Prises (eine Gesellschaft von Projektentwickler Prisma und Spar), soll die Seestadt bald realisiert werden. Linhart: "Ich wäre froh, wenn schnell begonnen würde." Gleiches gilt für das Seequartier rund um den Bahnhof. Linhart: "Alles, was beschleunigend wirkt, ist mir willkommen."

Das Problem: Die Großprojekte sind in direkter Nachbarschaft, bei Baumaßnahmen voneinander abhängig, die Investoren sind aber nicht identisch. Bevor die Betreiber der Seestadt nicht ihren Bau beginnen, ist auch die Umsetzung der Seequartiers blockiert.

Schwierige Finanzierung

Auch die Verhandlungen über den Bau der Bahnhofsunterführung zwischen Bahnhof und Festspielhaus ziehen sich. Am Verhandlungstisch sitzen ÖBB, Land und Stadt. Die Stadt möchte eine repräsentative Verbindung zum Festspielhaus, "die von den Menschen auch akzeptiert wird" (Linhart). Das kostet, Bregenz hat aber kein Geld.

Die üblichen Finanzierungsschlüssel bei Bahnhofsbauten (20 Prozent Land, 80 Prozent ÖBB), 100 Prozent Stadt bei stadtteilverbindenden Elementen, greift hier nicht. Denn die ÖBB wird nur mehr Mieter im Bahnhofsgebäude sein, das dem privaten Investor Rhomberg Bau gehört.

Finanziert wird von der ÖBB nur, was in direktem Zusammenhang mit Geleisen und Bahnsteigen steht. Wie sich Bahn, Land und Stadt die kolportierten 23 Millionen Euro für die Unterführung aufteilen werden, ist noch ungewiss. Linhart ist guter Dinge: "Die Verhandlungen sind weitgehend abgeschlossen."

Voraussetzung für den Vertragsabschluss sind jedoch klar koordinierte Bauabläufe der beiden Investorengruppen. Denn für Land und Bahn hat der reibungslose Ablauf des Bahn- und Busverkehrs oberste Priorität. Solange dieser durch die Projektbetreiber nicht gesichert ist, wird nicht unterschrieben.

Massive Kritik an Architektur der Seestadt

Einen Termin für den Baubeginn der Seestadt nennen die Betreiber nach mehreren Verschiebungen nicht mehr. Sie wollen den Baubescheid abwarten und dann weitere Entscheidungen fällen.

Entscheidungshilfen liefern Vorarlberger Architekten beinahe täglich. Nachdem die konkreten Pläne der Betreiber bekannt wurden, statt wie geplant eine mehrteilige Verbauung mit Durchlässen einen durchgehenden Bau zu errichten, gründeten Architekten die Initiative See und Stadt und Bregenz. Sie fordern ein "Zurück an den Start", untermauern die Forderung mit Aussendungen und Veranstaltungen.

Masterplan wird ignoriert

Die Kritik der Initiative sei gerechtfertigt, schreibt der renommierte Vorarlberger Architekt Hermann Kaufmann in einer Unterstützungserklärung. Kaufmann, Professor am Institut für Bautechnik und Entwerfen an der Technischen Universität München, erinnert die Bregenzer Verantwortlichen an die Grundlage für die Planung der Seestadt, den Masterplan.

Ziel des Masterplans war eine durchmischte und kleinteilig strukturierte Stadterweiterung. Kaufmann zitiert Anforderungen aus der Wettbewerbsausschreibung: "Schaffung urbaner Lebendigkeit und robuster Nachhaltigkeit durch kleinteilige Vielfalt und Nutzungsdurchmischung." Kaufmann, der mit seinem Büro zum Wettbewerb geladen war: "Es wurde sogar im Wettbewerbshearing gedroht, dass Projekte, die eine innere Erschließung (Mall) vorschlagen, ausgeschieden werden."

Diesen, von der Stadtplanung damals guten und richtig formulierten Ansätzen, entspreche das vorliegende Projekt in keiner Weise. Kaufmann: "Die jetzt konzipierte innere Erschließung der Geschäftsflächen ist ein Bautyp, der für Einkaufszentren auf der grünen Wiese konzipiert ist, im städtischen Umfeld aber falsch ist."

Beliebige Architektur

Die Kleinteiligkeit sei mit dem vorliegenden Konzept nicht gegeben, "somit zeigt sich die neue Seestadt als zusammenhängender Bau und nicht als vertikal gegliederter Stadtbaustein mit den notwendigen Durchblicken, wie es dem baulichen Umfeld von Bregenz entsprechen würde."

Die Architektur bezeichnet Kaufmann als unklar, zufällig und beliebig. Der Architekt ermuntert zum Neubeginn: "Der Ort hätte einen gestalterisch starken Ansatz verdient, der die diversen Bezüge zur Stadt, zum See und zum Bahnhof mit prägnanter Aussage und unverwechselbarer mutiger Architektur herstellt." (Jutta Berger, 25.11.2016)