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Die Aussichten für Großbritannien sind nicht gerade rosig. Finanzminister Philip Hammond beklagte am Mittwoch, die britische Wirtschaft leide unter einem erheblichen Produktivitätsdefizit.

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Erstmals hat die britische Regierung offiziell eingeräumt, dass der Brexit der britischen Wirtschaft – der sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt – schadet. Zwar bleibe man dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge "die am schnellsten wachsende entwickelte Industrienation", doch die Unsicherheit rund um das EU-Referendum im vergangenen Juni habe, wie Finanzminister Philip Hammond am Mittwoch im Unterhaus mitteilte, zum Pfund-Absturz, zu höherer Inflation, geringeren Steuereinnahmen und Konjunkturrückgang geführt.

Statt wie vor Jahresfrist angenommen um 2,4 Prozent wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2017 lediglich um 1,4 Prozent wachsen. "Wir gehen ohne Vorbereitung und schlecht ausgerüstet in den Brexit", kritisierte der finanzpolitische Sprecher der oppositionellen Labour-Partei John McDonnell.

Düsteres Bild

Die von Hammond vorgetragenen Prognosen der unabhängigen Budgetbehörde OBR geben ein düsteres Bild ab. Insgesamt werde die Wirtschaft bis 2020 durch die Brexit-Folgen um 2,4 Prozent langsamer wachsen als angenommen. Das sei vor allem der höheren Inflation (zuletzt 0,9 Prozent) geschuldet. Die Abwertung des Pfundes gegenüber Dollar und Euro um bis zu 15 Prozent treibt wegen der teurer gewordenen Importe die Preise in die Höhe. Die Zentralbank warnte kürzlich, die Teuerungsrate werde bis Ende 2017 auf rund 2,5 Prozent steigen.

Kein Nulldefizit

Ganz offiziell verabschiedete sich Hammond von dem Ziel seines Vorgängers George Osborne, bis zum Ende der Legislaturperiode 2020 den Haushalt auszugleichen. In diesem Jahr werde das Defizit bei 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen; noch bis 2022 sei seiner Planung nach eine weitere Neuverschuldung nötig, sagte der Finanzminister. Die Staatsschuld steigt im kommenden Finanzjahr auf 90,2 Prozent des BIPs und soll erst danach geringfügig zurückgehen.

Hammond gehörte als Außenminister unter Premier David Cameron zu den Befürwortern des EU-Verbleibs. Seit Theresa May das Amt der Premierministerin übernahm, liegt der erfahrene Finanzexperte im Clinch mit den Brexitern im Kabinett, darunter auch mit seinem Nachfolger im Außenressort, Boris Johnson. Während diese auf einen harten Brexit mit baldigem Austritt aus dem EU-Binnenmarkt drängen, vertreten Hammond und Wirtschaftsminister Greg Clark die Interessen der Wirtschaft, vor allem der Finanzindustrie, die auf ein möglichst enges Verhältnis zum Kontinent drängt.

Produktivität zu niedrig

In seiner rund 50-minütigen Bestandsaufnahme, dem sogenannten Herbststatement, ließ es Hammond nicht an düsteren Zahlen fehlen. So leide die Insel weiterhin an einem erheblichen Produktivitätsdefizit gegenüber den wichtigsten EU-Partnern. "Was ein deutscher Arbeiter in vier Tagen schafft, dazu brauchen unsere Arbeiter fünf Tage."

Verstärkte Finanzspritzen für Forschung und Entwicklung sowie Investitionen in die Infrastruktur, vor allem den Straßenbau, sollen nun für höhere Produktivität sorgen. Statt wie bisher 0,8 Prozent des BIPs will Hammond zukünftig bis zu 1,2 Prozent für die Infrastruktur ausgeben. (Sebastian Borger aus London, 23.11.2016)