Das Einzige, was ich am jüngsten Einserkastl ("Net sudern", DER STANDARD, 22. November) unterstützen kann, sind die Anführungsstriche, die Hans Rauscher bei der Bezeichnung "linker Flügel" setzt.

Die eingangs gebrachten Zitate sind allesamt von mir nie getätigt worden – und auch von sonst keinem mir bekannten Vertreter der einwohnerstarken Wiener Gemeindebezirke. Es handelt sich dabei nur um die leider üblich gewordenen Unterstellungen einiger weniger Personen, denen die persönliche Karriere anscheinend wichtiger ist als eine erfolgreiche Wiener Sozialdemokratie. Ich muss einmal mehr klarstellen:

  • Ich will keine Öffnung hin zur FPÖ. Ich will unsere ehemaligen Wählerinnen und Wähler wieder zurück!
  • Ich will keine rot-blaue Koalition in Wien, sondern betrachte Rot-Grün, wie die allermeisten in der Wiener SPÖ, als beste Partnerschaft für die Stadt!

Im Übrigen würde ich nicht vom Sudern sprechen, und auch den "Kaisermühlen Blues" werden Sie bei mir nicht finden. Es geht mir vor allem um eine inhaltliche Diskussion. Und das sollte erlaubt sein. Es braucht eine offene Diskussion auch zum Thema Zuwanderung, aber vor allem um Inhalte, die wieder die soziale Frage auf die politische Tagesordnung setzen. Wie richtig die von uns gestellten Fragen sind, wird uns immer stärker dadurch verdeutlicht, dass man berechtigte inhaltliche und sachliche Kritik auf rein persönliche Ebenen umlenkt und damit abzuschwächen versucht.

Dass auch einmal öffentlich diskutiert wird, zumal inhaltlich, ist auch ein Zeichen, dass die SPÖ in der komplexen politischen Normalität angekommen ist. Das Dogma, alles hinter verschlossenen Türen zu diskutieren, führte in den vergangenen Jahren leider manchmal auch dazu, dass dann zu wenig diskutiert wurde. Was wir aber brauchen, ist ein Mehr an Diskussion in unserer Bewegung. In einer Demokratie bedeutet das Teilhabenlassen der Öffentlichkeit an politischen Diskussionen auch kein Problem. Wähler vergrault werden jedoch dann, wenn ins Persönliche gehende Unterstellungen und gezielte Diskreditierungen politische Kritik zum "Denver-Clan" mutieren lassen. Dies ist leider seit Monaten vonseiten einer kleinen Gruppe der Fall. Was wir stattdessen brauchen, ist eine mutige politische Diskussion.

Womit wir beim Stichwort Inhalt und angeblich "links" wären. Denkt nicht auch Frau Stadträtin Wehsely laut darüber nach, für Asylwerberinnen und Asylwerber eine Mindestaufenthaltsdauer bei Sozialleistungen einzuführen? Eine Idee, die aus der Wohnungsvergabe des zuständigen Stadtrates seit Monaten bekannt ist. Eine Maßnahme offenbar, die anscheinend links genug ist, wenn sie von Frau Wehsely angedacht wird. Denkt nicht auch unser Bundeskanzler Kern darüber nach, gewisse Sozialleistungen an die Herkunftsländer anzupassen?

Weiters können wir davon ausgehen, dass die Flucht- und Zuwanderungsbewegungen auch in näherer Zukunft noch anhalten werden. Gepaart mit einer angespannten Wirtschaftslage ist es nachvollziehbar, dass diese Herausforderung bei vielen Menschen Angst und Sorge auslöst. Diese Tatsache gilt es nicht von oben herab mit erhobenem Zeigefinger zu belächeln, sondern ernst zu nehmen.

Selbstredend sind Zuwanderer anständig zu behandeln, selbstverständlich ist in Not geratenen Menschen zu helfen. Dazu zählt langfristig aber auch eine Perspektive. Die Ungleichheit des globalen Kapitalismus und Flüchtlinge aus zahlreichen Kriegsgebieten und Zuwanderung wird Mitteleuropa allein nämlich nicht bewältigen. Im Übrigen wüsste ich auch nicht, was daran humanistisch oder links wäre, wenn Menschen ins Land geholt werden, denen dann keine ausreichende Perspektive geboten werden kann. Die nur schwer am Arbeitsmarkt vermittelt werden können und dann im Marx'schen Sinn nichts als die Konkurrenz am Arbeitsmarkt fördern.

Auch Christian Kern, hinter dem die Flächenbezirke übrigens voll und ganz stehen (nur falls hier wieder Gerüchte gestreut werden), sagte vor zwei Tagen: "Ich bin klar dafür, die Zuwanderung zu begrenzen. Wenn wir die Probleme nicht lösen, ist es nicht sinnvoll, noch mehr Menschen ins Land zu lassen." Ich bin froh, dass wir mit ihm jemanden an der Spitze haben, der Klartext spricht!

Auch beim Thema Mindestsicherung scheint mir das Pferd von hinten aufgezäumt: Nicht die Mindestsicherung ist zu hoch, sondern die Gehälter zu niedrig. Das, obwohl wir, laut jüngster Studie der Statistik Austria, immer länger arbeiten, aber weniger verdienen. Das ist das linke inhaltliche Narrativ, das ist die gesellschaftskritische Erzählung, die es zu formulieren gilt. Integrations- und Sozialpolitik müssen in Wien mehr können und eine klarere Richtung vorgeben, wenn wir wieder gewinnen wollen. Wegschauen hilft nicht. Und sachliche Kritik auf die persönliche Ebene zu reduzieren schon gar nicht. Es gilt kritisch zu sein. Eine Sozialdemokratie, die nicht mehr gesellschaftskritisch ist, braucht auch der Wähler zu Recht nicht als Partner für seine Lebensumstände! (Ernst Nevrivy, 23.11.2016)