In dem Stummfilm "Der Golem" (1920) wendet sich selbiger gegen seine Schöpfer. Ein kleines Mädchen kann den Unhold besänftigen.

Foto: Deutsches Filminstitut, Sammlung Kai Möller

Kristof Kinteras "My Light Is Your Life" von 2009.

Foto: Kristof Kintera

"Minecraft: Iron-Golem" ist die Kunststoffversion der Computerspielfigur.

Foto: Jüdisches Museum Berlin

Der Golem als Prag-Souvenir unserer Tage.

Foto: Jüdisches Museum Berlin

Für einen Golem, die legendäre Lehm- und Kultfigur, gibt es eine Bauanleitung aus dem 17. Jahrhundert. Sie beruht vollständig auf dem hebräischen Alphabet: Für die Gestalt nimmt man ein Aleph, für die Eingeweide den Buchstaben Mem, mit Schin kommt der Kopf, und die Organe sind dann so etwas wie die weniger bekannten Konsonanten.

Eine Kunstfigur, die Schrecken verbreitet, hier aber schon ganz und gar als Konstruktion ausgewiesen ist: Seit Jahrhunderten beschäftigt der Golem die Fantasie. Zuletzt kam jemand sogar auf die Idee, das populistische Monstrum, das Amerika zu einem Spielzimmer seiner Launen gemacht hat, als Golem zu deuten. Donald Trump sollte eigentlich zu Staub zerfallen, wenn man genau hinsieht, aber wer schaut schon genau hin bei einer Erscheinung, die sich so faszinierend aufbläst?

Mythos mit Weltkarriere

Der Golem stammt aus Prag, gehört inzwischen aber der ganzen Welt – und nicht zuletzt der ganz anderen Welt der asiatischen Spielzeugfiguren. Mit dieser Pointe beginnt eine sehr instruktive Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine Kulturgeschichte der Golem-Vorstellungen zu präsentieren. Das Thema bietet sich an, denn es gibt reichlich Material aus vielen Bereichen, von einer kleinen, passenderweise in einen Winkel gesteckten unheimlichen Videoarbeit von Christian Boltanski bis zu einem hochinteressanten Gemälde von Gert Heinrich Wollheim aus dem Jahr 1921, in dem der Golem ein weibliches Selbstbildnis prägt.

Da steckt eine Menge dahinter, das weit bis in älteste Erzählungen vom Anfang der Welt zurückreicht, wo es ja auch eine Lehmgeburt gibt und wo erst nach einer Weile ein zweites Geschlecht auftaucht. Wenn der Talmud unverheiratete Frauen beiläufig als Golems bezeichnet, dann heißt das auch, dass sie unter modernen Bedingungen ihre Seele nicht mehr durch die Ehe und den Mann bekommen müssen, sondern durch Emanzipation belebt werden müssen.

Die bekannteste Darstellung des Golems stammt aus einem Stummfilm von anno 1920, der wiederum auf einen Prager Sagenkomplex aus dem 16. Jahrhundert zurückgeht. Die mächtige Figur dient hier als eine Art Kampfroboter, den die jüdische Gemeinde, weil man sie aus der Stadt vertreiben will, zuerst konstruktiv einsetzt.

Dann setzen sich aber zerstörerische Impulse durch, erst ein Mädchen findet schließlich den Knopf (den Stern), mit dem der Koloss wieder unschädlich gemacht werden kann. Die Geschichte ist unschwer als Bild für eine zweischneidige Technik lesbar, als Hinweis auf die Unbeherrschbarkeit von Dingen, mit denen der Mensch sich über sich selbst (und gegen seine Herrscher) erhebt.

"Der Golem, wie er in die Welt kam" von Paul Wegener wurde ein Welterfolg nicht zuletzt wegen seines Designs (er prägt bis heute Vorstellungen eines alten Prags). Das Jüdische Museum geht auf diese Aspekte ausführlich ein (zum Beispiel mit einem sehr aufschlussreichen Vergleich von Filmplakaten, die auf Hans Poelzig vom Deutschen Werkbund zurückgehen), und entdeckt dabei auch jene Folge der "Simpsons", in der sich bei Krusty dem Clown ein Golem in der Rumpelkammer findet.

Vom Golem zum Cyborg

Insgesamt aber liegt das Interesse der Ausstellung doch deutlich auf den Aspekten, die heute in den Jugendzimmern und in der nach vorn gewandten Vorstellungskraft eine Rolle spielen. Vom Golem aus werden viele Verbindungen zu anderen Cyborg- und Robotermotiven gezogen. Für Kids, die sich in Minecraftwelten bewegen, sind Golems vor allem virtuelle Bauklotzfiguren, mit denen man sich gegen Zombies verteidigen kann.

Für den künftigen amerikanischen Präsidenten steckt in der Golem-Geschichte hingegen eine Warnung: Denn die Kraft der mythischen Figur beruht nun einmal im Kern auf der Magie von Buchstaben, die ihr in manchen Versionen auf die Stirn geschrieben sind. Bei Donald Trump bildet die Entsprechung die weiße Baseballcap, auf der die Parole "Make America Great Again" geschrieben steht. Diese Kappe kann er im Amt nicht mehr gut tragen. Manche gründen darauf die Hoffnung, dass er vielleicht schon jetzt zu schrumpfen beginnt, und irgendwann ohnmächtig auf dem Rücken liegt. Die Ausstellung im Jüdischen Museum bekommt mit diesem Motiv eine pointierte Aktualität, deren sie aber gar nicht bedürfte, weil sie auch so höchst sehenswert ist. (Bert Rebhandl aus Berlin, 23.11.2016)