Und auf einmal war Stille. Ausgerechnet Kim Kardashian, die Selfie-Queen, die Meisterin der unendlichen Selbstbespiegelung, ist verstummt. Wochenlang keine Statusmeldung in den sozialen Netzwerken – das ist bemerkenswert für eine Person, die davon lebt, fotografiert zu werden.

Schuld ist ein Überfall auf die Frau, die sich bislang mit Haut und Haar der Öffentlichkeit hingegeben hat. 87,4 Millionen Menschen haben Brüste, Bauch und Becken, den prallen Wohlstand der Kim Kardashian und ihrer Familie, zu der Ehemann Kanye, Tochter North, Sohn Saint und der erweiterte Kardashian-Clan gehören, abonniert.

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Kurve trifft auf Größenwahn: Kanye Omari West und Kimberly Kardashian hören auf den gemeinsamen Spitznamen "Kimye". Hier während der Met-Gala in New York.
Foto: reuters/Jackson

Mehr als eine Ich-AG

Der Schaden, den dieser Rückzug angerichtet hat, lässt sich in bloßen Zahlen ausdrücken. Der 36-Jährigen entgehe seither, hat ein Marketing-Start-up errechnet, monatlich ein Millionenbetrag. Die laut "Forbes" 51 Millionen Dollar schwere Kardashian hatte einen Teil ihres Vermögens bislang mit Produktplatzierungen in den sozialen Netzwerken verdient.

Sorgen muss man sich um die Mittdreißigerin und zweifache Mutter trotzdem keine machen. Nicht nur, dass sie im letzten Jahr 71,8 Millionen Dollar allein mit ihrer Spiele-App "Kim Kardashian: Hollywood" gemacht hat – seit vier Jahren ist Kardashian mehr als eine Ich-AG. Seit April 2012 schlagen die Herzen von Kim Kardashian und Rapper Kanye West im gleichen Takt, in der Öffentlichkeit sind die beiden K's längst zu "Kimye" verschmolzen.

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"Kimeye" zu Besuch in Havanna.
Foto: ap/desmond boylan

Verschmelzung

Damit reihen sich Kanye Omari West und Kimberly Kardashian in eine Reihe illustrer Paare ein, deren Identitäten in den Medien eins wurden. "Brangelina", "Billary", "Bennifer" und "TomKat" haben ihren Marktwert in der Zeit ihres Zusammenseins gesteigert. Auch für Kardashian und West gilt: Kim plus Kanye ist mehr als eins plus eins.

Ihre Beziehung ist mehr als das Verschmelzen von Geld, Größenwahn und Social-Media-Power, von Schwarz und Weiß. "Eine Beziehung erzählt etwas über die Persönlichkeit der Stars, sie lässt Rückschlüsse auf ihre jeweiligen Vorlieben und Interessen zu", erklärt die deutsche Kunstwissenschafterin Annekathrin Kohout die Faszination charismatischer Paare, so genannten "Power Couples".

Die Modewelt geht mit dem It-Girl und dem Mode machenden Rapper regelmäßig auf Tuchfühlung. Von Designern wie Olivier Rousteing (Balmain) wird das Paar ob seiner Reichweite in der ersten Reihe platziert, die aufgeblasenen Yeezy-Performances des Kanye West, stets begleitet von Ehefrau und Anhang, gehören trotz aller Kritik und Häme zum fixen Programm der New Yorker Modewoche. Die Chancen stehen gut, dass Kanye West sein Vorhaben, ein Lifestyle-Imperium à la Ralph Lauren aufzubauen, in die Tat umsetzt.

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Der Kardashian-Clan (Caitlyn Jenner, Kourntey Kardashian, Kendall Jenner, Khloe Kardashian und Kim Kardashian) anlässlich der Präsentation von Kanye Wests Yeezy Kollektion im Februar 2016.
Foto: reuters/andrew kelly

Wer Kardashian und West vor ihrer (medialen) Vermählung waren? Die eine Tochter eines Hollywood-Anwalts, Papa Robert verteidigte O. J. Simpson, mit seiner Frau Kris hat er die Töchter Kourtney, Khloé und Kim – und einen Sohn namens Robert. Kardashian arbeitete sich als Sidekick von Paris Hilton in der Serie "The Simple Life" ins öffentliche Bewusstsein, 2007 wurde sie mit der Reality-Show "Keeping Up with the Kardashians" rund um Mom-Manager Kris Jenner und ihre Familie bekannt.

Background

Kanye Wests Background hingegen gutbürgerlich, sein Kunststudium in Chicago brach er ab, in den Nuller-Jahren hatte West schon 14 Grammys gewonnen. "Mit jedem seiner Alben hat er den Hip Hop beeinflusst und die Soundlandschaft verändert", meint zum Beispiel FM4-Redakteurin Dalia Ahmed. Vieles andere aus der Vergangenheit von Kim Kardashian und Kanye West ist halb vergessen.

Ihre verflossenen Ehen sind längst begraben unter der Bilderflut von "Kimye" – den perfekt konturierten Selfies, dem gemeinsamen "Vogue"-Cover in Anzug und Brautkleid, Kardashians ölig glänzendem, aufgepolsterten Hinterteil auf dem Titel des "Paper Magazins", den Tonnen an verkauften Yeezy-Sneakern, seinem provozierenden Video "Famous", Wests selbstherrlichen Tweets, den belächelten Modeinstallationen mit Vanessa Beecroft, seiner Sympathiebekundung für Trump und zuletzt seiner Einlieferung ins Spital.

KIar verteilte Rollen

Wenn es um das Verhältnis der beiden geht, herrscht die landläufige Meinung vor, dass Kanye seine trashige Ehefrau auf ein neues Level gehoben hat. Damit sitzt die Öffentlichkeit einem Missverständnis auf. Die Geschäftsfrau hat als digitale Entrepreneurin so viel Geld gemacht, dass sie heute vermögender sein soll als ihr Ehemann.

Nach außen hin erscheinen Kardashian und West als Einheit mit klar verteilten Rollen. Er bedient männliche Klischees, sie gibt das Kurvenwunder. Das kann man schön im Video zu West's Song "Bound 2" beobachten: Der Rapper reitet in Utah auf seinem Motorrad dem Sonnenuntergang entgegen – auf seiner Maschine rekelt sich eine bloßgelegte Kardashian.

Die Inszenierung des Modefotografen Nick Knight erinnert an die irritierenden Kitschskulpturen von Jeff Koons und Pornostar Cicciolina. Für sie gab es bekanntlich kein Happy End. Auch das von "Kimye" bleibt offen. (Anne Feldkamp, RONDO, 26.11.2016)

Am 23. November wurde Kanye West wegen einer Psychose ins Krankenhaus eingeliefert – der Rapper musste seine Konzerttour abbrechen.
Foto: apa/afp/jocard