Red Hot Chili Peppers beim routinierten Kontrollverlust in der Wiener Stadthalle.

Foto: Corn

Wien – Der Mann des Abends saß an der Lichtorgel. Gut, Lichtorgel ist tiefgestapelt, so hießen früher in Serie geschaltete farbige Glühbirnen, die in Partykellern am Netz steckten und wie Verkehrsampeln mit Wackelkontakt blinkten. Bei den Red Hot Chili Peppers heißt das auch nicht Lichtorgler, sondern Stage Designer, und anlässlich der aktuellen "Getaway"-Tour, die am Montag in der Wiener Stadthalle Stopp machte, ließen sich Scott Holthaus und Co nicht lumpen.

Hunderte Leuchtzylinder, die einzeln an Drahtseilen befestigt auf und ab bewegt werden konnten, überdeckten den Bühnen- und vorderen Publikumsbereich. Diese Zylinder, sogenannte Tait Nano Winches, 800 sollen es sein, ergaben eine so minimalistische wie spektakuläre Lichtshow. Sie senkten sich in Wellenbewegungen, formierten sich als schiefe Ebenen oder als exklusive Spots, wenn unter ihnen einer der vier Hauptdarsteller des Abends seinen showmäßigen Auszucker absolvierte.

Rhythmus im Strampler

Und davon gab es einige, denn der hochgepeitschte Funkrock der US-Band verführte dazu, wahlweise in den Spagat zu gehen – wie Gitarrist Josh Klinghoffer – oder das Rumpelstilzchen auf Koks zu geben, wie Bassist Michael Balzary alias Flea das tut. Über den Schlagzeuger muss man nicht viel sagen, der hält den Rhythmus, und das kann er, der Chad Smith, der, zumindest aus der Tiefe des Saals sah es so aus, in einem roten Strampelanzug seiner Arbeit nachging.

Derlei Infantilität konvenierte mit dem Tun des Frontmanns Anthony Kiedis, der in kurzen Hosen mit bunten Leggings darunter auftrat und als Nichtinstrumentalist traditionell unterbeschäftigt war. Wenn er also nichts zu singen hatte, durchmaß er sportlich hüpfend den Bühnenraum wie jemand, der im Fitnessstudio seine Hantel verlegt und Sorge hat, seine Muskeln könnten auskühlen. Aber gut, das hält fit, das sieht man ihm an, und für derlei Gegockel werden die Peppers ja geliebt. Und natürlich für ihre Musik.

Die Band gab kein Best-of aus ihrer bald 35 Jahre dauernden Karriere. Ihre Mischung von aus dem Punk kommender Härte und Funk zeitigt einerseits Hits wie "Blood Sugar Sex Magik" mit seinem – einem vergangenen Zeitgeist geschuldeten – Rap-Gekläffe. Das durfte live nicht fehlen, dabei würde es nicht fehlen, fehlte es einmal.

Tausendfaches Echo

Überzeugender waren aber Songs, in denen Kiedis‘ Gesang den Liedern jene Melancholie einschrieb, die die zärtlicheren Saiten an Klinghoffers Gitarre zum Schwingen brachte. Prototypisch dafür steht "Californication", der Widerhall aus tausenden Kehlen unterstrich das.

Die detailverliebte Produktion des neuen Albums zeitigte zwar die Hereinnahme zweier weiterer Musiker an Tasten, wobei es vermessen wäre, zu behaupten, dass diese neuen Songs wie "Go Robot" oder "Dark Necessities" besonderen Mehrwert verliehen hätten. Zur Zugabe kopulierten Schlagzeug und Gitarre instrumental, "Dreams of a Samurai" erinnerte daran, dass es ein neues Album zu kaufen gibt, darauf vergessen durfte man beim Saalfeger "Give it Away", der finalen Segnung eines routinierten Kontrollverlusts. (Karl Fluch, 22.11.2016)