Wien – Richtiges Timing ist für viele Organismen überlebenswichtig. Für die notwendige zeitliche Organisation physiologischer Prozesse verfügen sie über eine "innere Uhr". Die Meeresmücke Clunio marinus besitzt gleich zwei innere Uhren, die regional anders justiert sind. Wie das genau funktioniert, beleuchtet nun ein Wiener Forscherteam im Fachjournal "Nature".

Besagte Mücken leben von der Nordsee bis in den äußersten Süden Europas an felsigen Meeresküsten, wo Ebbe und Flut die Lebens- und Fortpflanzungsrhythmen bestimmen. Ihre Nachkommen haben nur dann eine Überlebenschance, wenn sie die Eier bei extremer Ebbe ablaichen, was nur an wenigen Tagen im Monat und dann nur für wenige Stunden möglich ist. Die Mücken haben dazu zwei innere Uhren: eine für die Tageszeit und eine ähnlich einem Kalender funktionierende "Monduhr", sagte Kristin Tessmar-Raible von den Max F. Perutz Laboratories (MFLP) der Universität Wien und MedUni Wien.

Regionale Unterschiede

Die zur Fortpflanzung notwendigen Bedingungen treten aber etwa in den norwegischen Fjorden zu anderen Zeiten auf als an der Küste Portugals. Deshalb sind die inneren Uhren der Mücken regional unterschiedlich eingestellt. Frühere Arbeiten hatten bereits gezeigt, dass die Zeitunterschiede auf dem Erbgut vermerkt sind. Viel mehr war bis dato aber nicht bekannt.

Das Team um Tessmar-Raible und Tobias Kaiser sequenzierte nun das Erbgut von Mücken aus fünf verschiedenen Regionen: aus Bergen in Norwegen, von der deutschen Insel Helgoland, aus zwei französischen und einer portugiesischen Küstenregion. Sie fanden keine Unterschiede in den Bereichen, wo die Eiweißstoffe kodiert sind, aber bei einem Gen (CaMKII) auffällig viele Unterschiede an jenen Stellen, wo die Module des Eiweißstoffes zusammengesetzt werden (Spleiß-Stellen).

Rückschlüsse auf Menschen

Je nach ihrer geografischen Herkunft hatten die Mücken verschiedene Varianten des Eiweißstoffes, weil die Module vom Gen CaMKII unterschiedlich zusammengebaut waren. Welche Versionen die Mücken hauptsächlich hatten, korrelierte wiederum mit den unterschiedlichen Tageszeiten der Eiablage und den Schlupfzeiten, so Tessmar-Raible. "Durch die Unterschiede bei CaMKII läuft die Tagesuhr also bei manchen schneller, bei manchen langsamer."

CaMKII gibt es auch in leicht veränderter Form beim Menschen, wo es möglicherweise eine Rolle dabei spielt, ob man eher ein Frühaufsteher oder ein Nachtmensch ist. Es ist sogar einer der häufigsten Eiweißstoffe im menschlichen Gehirn und könnte mit neuropsychiatrischen Krankheiten in Verbindung stehen, die oft gemeinsam mit einer Störung der Tagesuhr auftreten, so die Forscher. (APA, 26. 11. 2016)