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Foto: Reuters/Ozer

Istanbul – Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Verhaftung von kritischen Journalisten und Oppositionsabgeordneten in der Türkei trotz entsprechender Aufforderung nicht verurteilt.

Bei der Parlamentarischen Versammlung der Nato am Montag in Istanbul sagte der niederländische Abgeordnete Han ten Broeke unter Beifall, Hinweise darauf hätten in Stoltenbergs Ansprache gefehlt, weswegen er ihm nun bei der Fragerunde Gelegenheit dazu geben wolle. Stoltenberg antwortete, die Türkei habe das Recht, gegen Verantwortliche des Putschversuchs von Mitte Juli vorzugehen. Die türkische Führung habe ihm versichert, dass das im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit geschehe.

"Kernwerte der Nato"

Stoltenberg hatte in seiner Ansprache an das Plenum unter anderem gesagt, der Putschversuch müsse als Erinnerung dienen, "dass Demokratie und Freiheit nicht selbstverständlich sind". Er lobte den Widerstand gegen die Putschisten und betonte: "Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind Kernwerte der Nato." Das international kritisierte Vorgehen der türkischen Führung seitdem und die Verhaftungen von Journalisten und Abgeordneten unter Terrorverdacht erwähnte Stoltenberg in seiner Ansprache nicht.

"Demokratie erfordert ein bisschen Rückgrat", sagte ten Broeke anschließend. Westliche Staaten hätten nach dem Putschversuch immer wieder ihrer Solidarität Ausdruck verliehen. "Es ist jetzt an der Zeit, dass wir unserer Sorge Ausdruck verleihen über zehn gewählte Parlamentsabgeordnete im Gefängnis." Er fügte hinzu, in der Türkei seien inzwischen mehr Journalisten eingesperrt als in China. Der türkische Abgeordnete Osman Bak verteidigte die Verhaftung der Parlamentarier der prokurdischen HDP. Aufgabe von Abgeordneten sei der Dienst am Volk, nicht "Volksverhetzung und Terrorpropaganda".

Erdoğan fordert mehr Nato-Hilfe

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat mehr Unterstützung der Nato im Kampf seines Landes gegen den "Terrorismus" gefordert und zugleich Bündnispartner kritisiert. "Die Bedrohung, die von Terrororganisationen ausgeht, betrifft uns alle", sagte Erdoğan am Montag vor der Parlamentarischen Versammlung der Nato in Istanbul.

Die Türkei erwarte Unterstützung der Nato "in unserem Kampf gegen alle Terrororganisationen". Er kritisierte erneut, die auch in der EU verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK könne in EU-Mitgliedsstaaten ungehindert operieren.

"Wir wollen, dass Sie verhindern, dass Mitglieder der Terrororganisationen sich frei in Ihren Ländern bewegen, Propaganda machen, Militante anheuern und durch Erpressung Schutzgelder einsammeln", sagte Erdoğan vor den Parlamentariern. Mit Blick auf die von der Türkei bekämpften kurdischen YPG-Milizen in Nordsyrien fügte er hinzu, dort operierten Terrorgruppen mit Waffen von Nato-Bündnispartnern. Der Türkei lägen sogar Registrierungsnummern dieser Waffen vor. Darauf angesprochene Bündnispartner ignorierten das Problem aber. Die YPG ist der syrische Ableger der PKK.

Erdoğan bemängelte, dass die Kurdenmilizen in Nordsyrien vom Westen nicht als terroristisch eingestuft würden, weil sie gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) kämpften. Nach dieser Logik wären auch Al-Kaida nahestehende Gruppen, die gegen den IS vorgingen, keine Terrororganisationen. Erdoğan fragte: "Können Sie einen Terroristen als gut bezeichnen, nur weil er einen anderen Terroristen bekämpft?" (APA, 21.11.2016)