Sich von der besten Seite zeigen sollen – aber doch authentisch bleiben müssen. Die Anspannung bei einem Vorstellungsgespräch bezeichnen Teilnehmer und Teilnehmerinnen einer aktuellen Umfrage mit jener bei einem ersten Date.

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Für Personalabteilungen sind sie ein Massenprozess, für Jobsucher ein spezielles Ereignis: Bewerbungen lösen bei Kandidaten starke, zum Teil widersprüchliche Gefühle aus. Das zeigt eine aktuelle Online-Umfrage der Recruitingplattform softgarden mit 3500 Teilnehmern.

Als "Speed-Dating auf dem Schlachtfeld der Kompetenzen" bezeichnete dabei ein Umfrageteilnehmer die Bewerbung. Dann sind da noch Gefühle einer elementaren Lebensentscheidung, des Wettbewerbs, des Glückspiels, der Sehnsucht nach Anerkennung ebenso wie das Erleben als Prüfungssituation und schmerzhaftes Infragestellen des eigenen (Markt-) Wertes.

Starke Gefühle

Bewerbungen nehmen die meisten Kandidaten also emotional stark mit. Für 83,3 Prozent der Teilnehmer sind sie "mit starken Gefühlen" verbunden. Ganz kalt lässt das Bewerbungsverfahren nur 1,1 Prozent. Die Gefühle sind nicht nur positiv: Uneingeschränkt stimmen dem Statement "Bewerbungen machen gute Laune" nur 10,6 Prozent zu, für 47,2 Prozent trifft die Aussage nur teilweise zu. Für die meisten Bewerber ist die Bewerbung nur mit Einschränkungen ein Vergnügen.

Ambivalenz gegenüber Arbeitgebern

In den Augen der Mehrheit (79,8 Prozent) steht eben "viel auf dem Spiel". Die Bewerbung ist eine ernste Angelegenheit, bei der sich die Kandidaten "keine Fehler erlauben" können, meinen 87,9 Prozent. Stressfrei sieht eine Bewerbung deshalb nur eine Minderheit von 26,4 Prozent. 46,0 Prozent stimmen hingegen der Aussage zu, dass Bewerbungen sie "Kraft kosten".

Bewerber hegen zudem ambivalente Gefühle gegenüber den Arbeitgebern in spe. Zwar stimmt eine Mehrheit von 63,1 Prozent angesichts der veränderten Verhältnisse auf den Talentmärkten der These zu, dass sich Arbeitgeber "ebenso bei mir wie ich mich bei ihnen bewerben müssen". Aber Gefühle traditioneller Bewerber-Ohnmacht laufen dem neuen Selbstbewusstsein zuwider: 73,6 Prozent glauben, dass Bewerbungen sie dem "Urteil anderer ausliefern". 82,8 Prozent haben den Eindruck, dass "Unternehmen am längeren Hebel sitzen".

Wie ein erstes Date

softgarden fragte auch: "Mit welcher Lebenssituation würden Sie Bewerbungen am ehesten vergleichen?" Über 1.700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer teilten hierzu in einem Freitextfeld ihre individuelle Sicht der Dinge mit. Partnerschaft und Partnersuche ist mit über 300 Nennungen die von den Teilnehmern am häufigsten hinzugezogene, konkrete Analogie.

Teilnehmer vergleichen die Bewerbung mit einer "Brautschau", einem "Heiratsantrag" oder einem "ersten Date", das schließlich in einer langfristigen Beziehung münden soll: Die Anbahnungsphase wird von der Anspannung beherrscht, sich von seiner guten Seite zu zeigen und dabei doch authentisch zu bleiben: "Man bereitet sich darauf vor, möchte aber man selbst sein. Sich einfach zeigen wie man ist und trotzdem muss die Schokoladenseite zur Geltung kommen", schreibt ein Teilnehmer.

Wie eine Matheprüfung

Das Moment der Anstrengung und der Bewertung bestimmt auch die am zweithäufigsten gewählte Analogie mit einer anderen Lebenssituation. Über 250 Teilnehmer fühlen sich beim Thema "Bewerbung" an die Schule, Hochschule oder an andere Prüfungssituationen erinnert.

Das Spektrum der Vergleiche ist hier breit und reicht von einer "Mathematik-Leistungskursklausur" über die "mündliche und schriftliche Diplomprüfung" oder der "Examensphase an der Universität" bis zur "Führerscheinprüfung". (red, 22.11.2016)