Ankara/Moskau/Shanghai – Die Türkei braucht ihrem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zufolge einen EU-Beitritt "nicht um jeden Preis". Stattdessen könne sein Land über eine stärkere Annäherung an China und Russland nachdenken. Erdogan sagte auf einem Flug zu Reportern, die Türkei sollte "gelassen bleiben, was die EU angeht", wie die Zeitung "Hürriyet" am Sonntag berichtete.

Mit einem Beitritt zu der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) – einem Sicherheitsblock asiatischer Staaten rund um China und Russland – könne die Türkei politisch deutlich freier agieren, sagte er der Zeitung "Hürriyet" vom Sonntag zufolge. Er habe auch schon mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin darüber gesprochen. Die Türkei ist NATO-Mitglied und hat das zweitgrößte Heer des Militärbündnisses nach den USA.

Besserer Schutz vor Islamisten

Der SCO gehören neben Russland und China auch die zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan an. Die Organisation wurde 2001 als regionaler Sicherheitsblock gegründet, mit dem Ziel eines besseren Schutzes vor Islamisten und Drogenschmugglern aus Afghanistan. Die Türkei hat wie Weißrussland den Status eines Gesprächspartners, der an Treffen auf Ministerebene ohne Stimmrecht teilnehmen darf.

Die Beitrittsgespräche zwischen der Europäischen Union und der Türkei stecken schon länger in einer Sackgasse. Das Vorgehen der türkischen Behörden unter anderem gegen Opposition und Medien nach dem Putschversuch hat den Streit zwischen beiden Seiten zusätzlich verschärft.

Erdogans islamisch-konservativer Regierung wird vorgeworfen, ohne Rücksicht auf rechtsstaatliche Grundsätze mit aller Härte gegen Regierungskritiker vorzugehen. Allein seit dem Putschversuch Mitte Juli wurden zehntausende vermeintliche Regierungsgegner festgenommen oder vom Dienst suspendiert.

In der EU mehrten sich zuletzt Forderungen, die Beitrittsgespräche auszusetzen. Unter anderem traten Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) für ein Ende der Gespräche ein. (APA, 20.11.2016)