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Ankara/Athen – Von Bestepe aus gesehen, dem Hügel in Ankara, wo Tayyip Erdogans Palastanlage steht, ist die Sache nun ziemlich klar: Europa macht nur noch Probleme, die USA aber werden mit einem Mal freundlich. Die einen mischen sich dauernd ein; nächste Woche wird das Europaparlament wegen der Repressionen in der Türkei gar erstmals über ein Aussetzen der Beitrittsverhandlungen abstimmen. Den anderen aber, den Neuen, der ins Weiße Haus einziehen wird, interessiert das alles gar nicht, wie Erdogans Gefolgsleute mit Genugtuung registriert haben.

"Wenn es um Bürgerrechte geht, hat unser Land viele Probleme", sagte Donald Trump im vergangenen Juli, einige Tage nach dem Putschversuch in der Türkei und dem Beginn der Säuberungen, "und ich glaube, es ist sehr schwer für uns, dass wir uns mit anderen Ländern befassen, wenn wir in unserem eigenen Land nicht wissen, was wir tun, und nicht klar sehen können". Wenn die Welt auf die USA schaue und sehe, wie schlimm es dort zugehe, sagte Trump damals der New York Times, "und dann gehen wir herum und reden von Bürgerrechten – ich glaube nicht, dass wir ein guter Botschafter sind".

Rasches Treffen

Für Tayyip Erdogan, den autoritär regierenden Staatschef in der Türkei, ist Donald Trump erst einmal ein Geschenk. Wenn möglich, wolle er Trump noch vor dessen Amtseinführung am 20. Jänner treffen, sagte Erdogan dieser Tage beim Rückflug von einem Besuch bei Alexander Lukaschenko in Weißrussland. Dass Trumps künftiger Sicherheitsberater Michael Flynn am 8. November, dem Wahltag in den USA, einen besonders günstigen Beitrag in der Polit-Insider-Zeitung The Hill schrieb ("Unser Verbündeter Türkei ist in einer Krise und braucht unsere Unterstützung") ist noch vielversprechender für Ankara. Der Ex-Militärgeheimdienstler Flynn hat als Lobbyist einen Auftrag von Ekim Alptekin angenommen, einem US-türkischen Geschäftsmann, der auch Vorsitzender einer US-türkischen Unternehmervereinigung ist.

Alptekins Interesse – und das der türkischen Regierung – ist die Auslieferung des Predigers Fethullah Gülen aus den USA; Erdogans Ex-Verbündeter wird für den Putsch verantwortlich gemacht. Gülen leistet sich die Dienste einer der besten Anwaltsfirmen in den USA. Doch eine Regierung Trump, so hofft Ankara, wird in dem Verfahren – wenn es einmal eröffnet ist – etwas nachhelfen.

Mit gut platzierter PR in Washington hat die konservativ-islamische Führung Erfahrung, wie gehackte E-Mails von Erdogans Schwiegersohn, Energieminister Berat Albayrak zeigten. So schrieb der langjährige frühere Kongressabgeordnete Dan Burton, ein Republikaner und Mitglied der Tea-Party-Bewegung, im Herbst 2015 einen Erdogan-freundlichen Gastbeitrag in der Washington Times "für nicht viel Geld", wie in dem Mail an Albayrak und Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin vermerkt wurde. Einmischung unerwünscht: Der türkische Präsident Erdogan verbittet sich Kritik an Festnahmen und Massenentlassungen in seinem Land. (Markus Bernath, 19.11.2016)