Wien/Gumpoldskirchen – Der niederösterreichische Glücksspielkonzern Novomatic ist erneut auch in zweiter Instanz zur Zahlung von hohen Spielverlusten verurteilt worden. Diesmal muss der Konzern einem spielsüchtigen Pensionisten 430.000 erstatten, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Wien. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, aber laut Klägeranwalt bereits vollstreckbar.

"Wir prüfen, ob wir gegen dieses Urteil Revision an den OGH erheben. Das ist noch nicht entschieden", teilte Novomatic-Anwalt Peter Zöchbauer dazu mit. Er verwies auch darauf, dass das Wiener Oberlandesgericht ähnliche Spielerklagen gegen Novomatic abgewiesen habe.

Partielle Geschäftsunfähigkeit durch Spielsucht

Der nunmehr zum Teil siegreiche Kläger, ein Niederösterreicher, hat jahrelang bis zu 15 Stunden am Tag in Novomatic-Spielstätten in Wien gezockt und dabei sein gesamtes Vermögen verloren. "Die ganze Familie wurde in Mitleidenschaft gezogen. Die Kinder mussten auf Matratzen schlafen, weil kein Geld für ein neues Bett da war. Am Ende verspielte er sogar das Geld für das Begräbnis seines Vaters", sagte der Anwalt des Klägers, Peter Ozlberger.

Ozlberger arbeitet mit Thomas Sochowsky zusammen, ein ehemaliger Geschäftspartner von Novomatic, der jetzt Spielerklagen gegen den Konzern initiiert.

Der teils vorm OLG erfolgreiche Niederösterreicher hat, wie die meisten anderen Novomatic-Kläger, bei Gericht seine Spielsucht ins Treffen geführt. Wegen seiner Erkrankung sei er partiell geschäftsunfähig gewesen, die einzelnen Glücksspielverträge seien daher nichtig. Novomatic zweifelte an der Spielsucht des Mannes, hatte den Verdacht, dass er sich "psychiatrisches Wissen" nur angeeignet hätte.

Novomatic müsste bereits zahlen

Weder Erst- noch Zweitgericht sahen das so, beide gaben dem Kläger in dem Punkt recht. Der Mann sei aufgrund seiner Sucht nicht in der Lage gewesen, "einen freien Willen hinsichtlich des Abschlusses von Glücksspielverträgen an Glücksspielautomaten zu bilden", so das Oberlandesgericht (1 R 116/16k).

Gestritten wurde auch über die verspielte Summe. Der Kläger begehrte ursprünglich die Rückzahlung von 675.860 Euro, konnte aber nicht über alle verspielten Beträge Nachweise erbringen. Letztendlich bekam er 372.220 Euro zugesprochen, macht samt vier Prozent Zinsen seit Anfang 2013 430.000 Euro, sagt Anwalt Ozlberger. Dem Rechtsvertreter zufolge ist das Urteil vollstreckbar, obwohl noch eine außerordentliche Revision zulässig ist. Novomatic müsse also jetzt schon zahlen.

Konzern verleugnete Linzenzen

Das Besondere an dem Verfahren: Novomatic hat anfangs bestritten, eine der Spielhallen, in denen der Kläger gezockt hat, betrieben zu haben. Konkret geht es um das "Casino Circus", Ozlberger zufolge so etwas wie das Vorgängercasino des "Admiral" im Wiener Prater.

"BV (Beklagtenvertreter, Anm.) entgegnet, dass er für den Standort Prater 80 keine Bewilligung habe", heißt es im Gerichtsprotokoll über eine Verhandlung am Erstgericht, dem Landesgericht Wiener Neustadt, im März 2016. Laut Ozlberger hat Novomatic sogar noch bestritten, das Casinos in der "Zirkushalle" im Prater betrieben zu haben, als er, Ozlberger, die Vorlage der Konzessionsbescheide beantragt habe. In der folgenden Verhandlung habe eine Zeugin von der zuständigen Wiener Magistratsabteilung MA 36 ausgesagt, dass es zwei Konzessionsbescheide für die Austrian Gaming Industries (AGI, jetzt Novomatic Gaming Industries) gegeben habe. "Es blieb bei der Bestreitung der Passivlegitimation", so der Anwalt des Klägers. Erst, als er in einem Kreditschädigungsverfahren von Sochwosky wegen eines Novomatic-kritischen Buchs vorgebracht habe, Novomatic habe in einem Prozess bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht, sei in dem Verfahren des niederösterreichischen Spielsüchtigen das Eingeständnis erfolgt, dass man auch das Casino Circus betrieben habe.

Am 25. April 2016 schrieb der Novomatic-Anwalt schließlich an das Gericht: "Wir haben aufgrund der Beweisergebnisse in der letzten mündlichen Streitverhandlung ergänzende Recherchen angestellt. Diese haben ergeben, dass wir bis Ende Februar/Anfang März 2005 zudem Inhaber von Spielstättenkonzessionen für das 'Casino Circus' (1020 Wien) waren und dieses betrieben haben." Auch das dort angebotene Glücksspiel sei "verwaltungsbehördlich genehmigt und somit rechtskonform" gewesen, so der Rechtsvertreter von Novomatic in dem Brief, der der APA vorliegt.

Novomatic hofft auf Oberlandesgericht

Das Verhandlungsprotokoll, das der APA ebenfalls vorliegt, offenbart auch die Dramatik des jahrelangen Kampfes des Klägers mit seiner Erkrankung. "Ich war auch in der Kirche und habe Kerzen angezündet, dass ich aufhöre zu spielen, und ich habe auf meine Familie geschworen, aber es hat eben alles nichts geholfen", sagte er beispielsweise aus. Auf die Frage, warum er nicht in seinem Heimatbundesland Niederösterreich gespielt habe, gab er zu Protokoll: "Da hätte ich mich registrieren lassen müssen." Und: "Alle Spieler leben eben mit einer Selbstlüge. Man möchte nicht aufhören mit einem hohen Verlust, sondern man wartet auf den hohen Gewinn und dann möchte man aufhören."

Novomatic-Anwalt Zöchbauer wies darauf hin, dass das OLG-Urteil die alte Rechtslage betreffe. Nach dem nunmehr geltenden Glücksspielgesetz (GSpG) "sind Sachverhaltskonstellationen, wie sie dem oben genannten Fall zugrunde liegen, nahezu auszuschließen."

"Im Übrigen hat das OLG Wien in anderen Fällen Berufungen meiner Mandantin bereits Folge gegeben und ähnliche Klagen abgewiesen", so der Novomatic-Rechtsvertreter weiters. (APA, 18.11.2016)