Attention chantier heißt es derzeit in Paris nicht nur beim Invalidendom. Die Stadt hat zahlreiche Großbaustellen – im wörtlichen Sinn.

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Paris – Anne Hidalgo spendet ihren Bürgern einen Baum pro Garten. Nach dem Willen der Pariser Bürgermeisterin sollen Tausende neuer Bäume in Frankreichs Hauptstadt gepflanzt werden. Doch nicht nur mehr Grün soll für frischen Schwung in der Metropole sorgen.

Gebaut wird auch an Grand Paris. Die Stadt, die vor rund 40 Jahren erstmals nach langer Zeit wieder einen Bürgermeister bekam und davor in Sachen Stadtplanung gern die Spielwiese der jeweiligen Präsidenten war, wurde mit Anfang 2016 zur "Metropole du Grand Paris". Die Stadtfläche verfünffachte sich und zu den bis dahin 2,2 Millionen Bewohnern kamen 4,3 Millionen dazu. Einige umliegende Départements und Gemeinden wurden verwaltungstechnisch eingemeindet. Im Großraum sollen 70.000 neue Wohnungen jährlich aus dem Boden wachsen, die Justiz bekommt ein neues Zentrum, die U-Bahn soll ausgebaut werden, neue Bahnhöfe entstehen, Kostenpunkt für Letzteres: 32 Milliarden Euro.

Eine Riesenchance auch für österreichische Firmen sagt Christian Schierer, Wirtschaftsdelegierter in Paris. Infrastruktur, Energie, Bau: Schierer sieht schier unendliche Möglichkeiten. Derzeit hätten Österreichs Firmen Frankreich als Markt nicht ausreichend auf dem Radar, sagte er bei einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer in Paris. 280 heimische Unternehmen sind in Frankreich tätig, darunter international umtriebige wie Wienerberger, Kapsch TrafficCom, Magna, Plasser und Theurer oder Waagner-Biro. Zu wenige findet Schierer: "in China sind es 420".

Verzerrtes Bild

Viele heimische Unternehmer würden den drittgrößten Exportmarkt Österreichs mit dem klammen Staatshaushalt, mit Streiks oder mit der 35-Stunden-Woche assoziieren, so Schierer: "Dabei wird übersehen, dass man hier in vier Tagen eine Firma gründen kann, schneller als in Österreich." Daneben boxte die Regierung die umstrittene Arbeitsmarktreform mit gelockertem Kündigungsschutz und Abstrichen bei der 35-Stunden-Woche durch. Die Arbeitslosenquote sank zuletzt zumindest auf unter zehn Prozent, ist damit aber immer noch fast doppelt so hoch wie in Österreich. Für noch wichtiger hält Schierer den Umstand, "dass man von Frankreich aus mit 66 Millionen Einwohnern den frankofonen Markt mit 320 Millionen betritt."

Die genannten Probleme würden – salopp gesagt – gerade einmal fünf Prozent im großen Ganzen ausmachen. Nicht nur in Sachen Infrastruktur ortet Schierer Chancen, auch wenn sich bis zur Präsidentenwahl im kommenden Jahr nicht viel bewegen werde: "Alle schauen ins Silicon Valley. Doch wir haben hier etwas Vergleichbares." Sophia Antipolis, ein Technologie- und Wissenschaftspark an der Côte d'Azur wird in den nächsten Jahren kräftig erweitert. Der Tiroler Hörimplantate-Spezialist Med-El etwa hat sich dort niedergelassen.

Auch Mischa Witzmann ist schon lange in Frankreich verankert. Vor 16 Jahren hat er nach seinem Architekturstudium in Wien mit einer Partnerin ein kleines Architekturbüro in Paris gegründet. Witzmann hat 2009 das erste zertifizierte Passivhaus Frankreichs gebaut. Einfach sei der Marktzugang nicht: "Wer hier im Baubereich Fuß fassen will, muss eine teure Versicherung abschließen – einerseits zum Schutz der Konsumenten vor Pleiten, andererseits hält man sich so vielleicht lästige Konkurrenz vom Hals."

Niedrigere Baukosten

Grundsätzlich hätten es die Österreicher, die oft teure Hightechprodukte anbieten, in der Branche nicht leicht: "Die Baukosten hier sind niedriger, wobei manches weniger qualitätsvoll ist." Bei der Heizung etwa haben die Franzosen lange auf Elektroheizung gesetzt – günstig in der Anschaffung, teuer im Betrieb, so Witzmann: "So jemandem zu erklären, dass er 20.000 statt 2000 Euro ausgeben soll, muss erst einmal gelingen." (Regina Bruckner aus Paris, 18.11.2016)