Auf Schienen und Rollenboden können selbst tonnenschwere Blechcontainer kraftsparend in den Bauch des Flugzeuges gezogen werden. Die Boeing 747 kann sperrige Güter via Frontladung schlucken.

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Köln – Es rumpelt und rattert laut. An einem Gurt zieht ein Mann in grauer Jeans und Daunenjacke einen Metallcontainer von der Rampe in die Halle. Obwohl dieser mehr als eine Tonne wiegt – allein die Tara beträgt mehr als 500 Kilogramm, wie in schwarzen Lettern aufgedruckt steht – gleitet die Riesenkiste geschmeidig über den Boden in der Halle.

Die scheinbare Leichtfüßigkeit ist hunderten Rollen geschuldet, die aus dem Boden ragen. Sie sind in alle Richtungen drehbar und passen sich so automatisch jener Richtung an, in die der bis an die Decke mit Paketen und Briefen gefüllte Container geschoben wird.

Am großen Förderband, auf das sein Inhalt zwei, drei Minuten später verfrachtet wird, ist die Containerschlange bereits lang. Denn auf der "Whiskey-Rampe" im zentralen europäischen Verteilzentrum des US-Logistikkonzerns United Parcel Service (UPS) ist gerade "Rush-hour". Im Viertel- oder Halbstundentakt landen ab 23 Uhr Frachtmaschinen aus aller Welt am Cargo-Airport des Flughafens Köln/Bonn. Zehntausende Expresssendungen werden hier Nacht für Nacht ausgeladen, nach Destinationen sortiert, wieder in Container geschlichtet und in die Flugzeuge eingeladen.

Ausgeladen wird per Hand

Pro Stunde laufen über die auf mehreren Etagen verteilten 42 Kilometer Förderanlagen gut 190.000 Expresspakete, jedes einzelne braucht nicht mehr als 15 Minuten von der Ein- bis zur Ausgabe. Ausgeladen wird von Hand, das gehe schneller als maschinell, sagt Holger Becker vom UPS-Besucherzentrum, der die Gruppe von Journalisten treppauf, treppab durch Teile der 105.000 Quadratmeter großen Anlage führt.

Pakete ab 70 Kilo werden in einer eigenen Anlage sortiert, bei ihnen beträgt der Durchsatz pro Stunde rund 2000 Stück.

Ab dann geht fast alles wie im Flug. An den Säulen leuchten rote und weiße Lichtbalken, mit ihnen werden die Strichcodes der vorbeisausenden Schachteln eingescannt und mit den Barcodes der Container verknüpft. So sind sie fortan lückenlos nachverfolgbar. Entsteht an einer Weggabelung ein Stau, treten sogenannte Singulatoren in Aktion. Diese Anlagenhelfer bringen die Pakete in die richtige Position zurück oder spüren Sendungen auf. Zweieinhalb Meter pro Sekunde legt eine Sendung bei der Grobsortierung zurück, das ist deutlich schneller als bei der Feinsortierung, die zwei Stockwerke über der Containerentladung durchgeführt wird.

Jede Minute zählt

Dabei wird jedes einzelne Frachtstück auf einer sogenannten Kippschale abgelegt, die sich, am Bestimmungsort angekommen, automatisch senkt und die Sendung in den richtigen der 576 darunter bereitstehenden mit Plastiksäcken ausgekleideten Holzkisten kippt. In diesen transparenten Säcken werden Kleinpakete, Dokumente oder Wertbriefe gesammelt, um zu verhindern, dass die sich verkeilen, irgendwo liegen bleiben oder gar verloren gehen.

Das wäre ein Problem, die vom Expressdienst UPS gegebene Zustellgarantie innerhalb eines Tages weltweit wäre perdu. Für Lieferungen aus und in die USA gilt die 24-Stunden-Frist schon allein aufgrund der Zeitverschiebung nicht, detto für Lieferungen nach Fernost. Aber auch hier zählt jede Minute, denn der Cargo-Flieger darf nicht warten, sonst gerät der Flugplan durcheinander.

Triebfeder Internethandel

Vor Weihnachten ist die heiße Zeit für Post- und Logistikfirmen. Der Handel über das Internet treibt das Paketaufkommen stetig an. Im Vorjahr hat allein der in Atlanta ansässige UPS-Konzern mit seinen weltweit 440.000 Beschäftigten zwei Tage vor Weihnachten 36,5 Millionen Sendungen zugestellt. Um solche Volumina zu schaffen, werden in diesen Wochen Reservemaschinen in Betrieb genommen und an die 90.000 Aushilfskräfte engagiert. Im Schnitt wickelt UPS pro Tag 18,3 Millionen Pakete ab.

Dazu hat er eine eigene Fluglinie mit 237 Jets und 414 geleaste beziehungsweise gecharterte Aircrafts. Die Feinverteilung bis zum Endkunden – der Großteil der Sendungen geht an Geschäftskunden – erfolgt mit den bekannten dunkelbraunen Lieferwagen mit Goldaufdruck. Da durch den Onlinehandel vor allem das Privatkundengeschäft massiv an Masse zunimmt, baut UPS seine Präsenz mit Abholstationen in Ballungsräumen sukzessive aus.

Lange Nachtschicht

Gegen ein Uhr ist der sogenannte Inbound fertig: Alle Maschinen sind gelandet, alle Container über die Whiskey-Rampe zu den Förderbändern gekarrt. Deren Namen rührt übrigens nicht von Hochprozentigem, das die Arbeiter nach der Nachtschicht vermutlich gut vertragen können, sondern von der internationalen Buchstabiertafel, nach der die Sektoren und Anlagen im UPS-Air-Hub auf dem Kölner Flughafen benannt sind.

Nun geht es Schlag auf Schlag in die Gegenrichtung, denn mit der letzten Maschine um 5.30 Uhr muss der "Outbound" abgeschlossen sein: Die Container werden mit abgehenden Sendungen befüllt, plombiert und mit Gepäckwagen zu den in Reih und Glied stehenden geführt, wo sie mit hydraulischen Hebebühnen in die "Queen of the Sky" oder kleinere Flugzeuge gehievt werden. Diese Boeing 747 verträgt 118 Tonnen Zuladegewicht, die per Computer so platziert werden, dass der Vogel spritschonend gleiten kann. Von Köln aus schwärmen die Flieger sternförmig aus, eine davon nach Wien. (Luise Ungerboeck, 17.11.2016)