Die EU-Kommission ruft die Mitgliedsstaaten dazu auf, ihre Anstrengungen zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Schaffung von Arbeitsplätzen deutlich zu erhöhen. Sie müssten "verdoppelt" werden, erklärte Präsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch.
Insbesondere jene Staaten, die sich durch fiskalische Maßnahmen in den vergangenen Jahren den nötigen Spielraum verschafft hätten, seien jetzt gefordert, Investitionen (und Konsum) anzukurbeln. Dies dürfe nicht allein der Europäischen Zentralbank in Frankfurt überlassen bleiben. Es scheint die neue Linie der Zentralbehörde zu sein, nicht nur strikt auf Sparmaßnahmen und Haushaltsdisziplin zu drängen. Juncker betonte, dass es "eine wirtschaftliche und soziale Wende" geben müsse.
"Neue Politik"
Diese "neue Politik", die der Präsident bereits bei seiner Rede zur Lage der Union von den Mitgliedstaaten gefordert hatte, spiegelt sich in den Haushaltsberichten der Kommission im Rahmen des sogenannten "Europäischen Semesters" wider. Obwohl mehrere Staaten gegen die früher festgelegten Auflagen verstoßen und im kommenden Jahr die Defizitziele kaum einhalten werden, gibt es seitens der EU-Zentralbehörde keine Sanktionen. Sechs Länder dürften nach Schätzung der Experten in Brüssel bei der Neuverschuldung über den vereinbarten Werten liegen: Belgien, Italien, Finnland, Slowenien, Zypern und Lettland. Mit all diesen Ländern wird die Kommission Nachbesserungen erarbeiten.
Wirkliche Probleme bereitet dabei nur Italien. Die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi, der wegen des Verfassungsreferendums Anfang Dezember im Moment extrem unter Druck steht, sollte 2017 ein Haushaltsdefizit von 1,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erreichen, wird aber auf 2,3 Prozent kommen. Diese Tendenz ist insofern alarmierend, als Italien sich auch bei der Gesamtverschuldung ständig verschlechtert, die im Vergleich mit anderen Euroländern ohnehin besonders hoch ist: jenseits der 130 Prozent des BIP.
Dennoch denkt Renzi nicht daran, strukturell noch stärker zu sparen. Der sozialistische Premier fordert ein "Ende der Sparpolitik" in Brüssel. Er droht sogar damit, das EU-Budget, das am Donnerstag im Vermittlungsverfahren mit dem EU-Parlament vereinbart werden soll, platzen zu lassen, sollte Brüssel hart bleiben.
Investitionen gefragt
Das ist aber ohnehin nicht zu befürchten: In der Kommission ist man nicht auf Strafen aus, wie die Beispiele Spanien und Portugal zeigen: Die beiden Länder haben 2015 die Haushaltsdisziplin deutlich verletzt. Zwar sahen Kommission und Ministerrat von direkten Sanktionen in Form von Geldbußen im vergangenen Juli ab. Am Mittwoch wurde entschieden, dass es auch keine Kürzungen bei EU-Strukturförderungen für Spanien und Portugal geben wird, wie das erwogen worden war.
Vizepräsident Waldis Dombrowskis und Währungskommissar Pierre Moscovici gaben die Parole aus: 2017 solle ein Jahr mit Wachstum in allen EU-Staaten werden, mit steigenden öffentlichen Investitionen und mehr Jobs. (Thomas Mayer aus Brüssel, 16.11.2016)