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Obwohl ein Urteil gegen den Oppositionellen Alexej Nawalny aufgehoben wurde, verbessert das nicht seine Aussichten.

Foto: AP/Golovkin

Während ein riesiger Korruptionsskandal um den verhafteten und abgesetzten Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew die russische Regierung erschüttert und die russischen Fernsehzuschauer in Atem hält, wird das Ergebnis eines anderen Korruptionsprozesses, der vor einigen Jahren für nicht weniger Medieninteresse sorgte, zumindest vorläufig eingesackt: Russlands Oberster Gerichtshof hat das Urteil aus dem "Kirowles-Prozess" gegen den Oppositionellen Alexej Nawalny aufgehoben.

Nawalny war 2013 wegen angeblicher Veruntreuung zum Schaden des Holzbetriebs Kirowles zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Ein Mitangeklagter, der Unternehmer Pjotr Ofizerow, erhielt vier Jahre. Beide Urteile wurden kurz darauf in eine Bewährungsstrafe umgewandelt. Nawalny, der den Prozess stets als politisch motiviert bezeichnete, hatte im Februar vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit seiner Klage Erfolg. Der EGMR rügte das Urteil als "willkürlich" und "politischer Natur" und verurteilte Russland zu Kompensationszahlungen.

Auf der Grundlage dieses Richterspruchs hat nun das Oberste Gericht in Russland reagiert und "im Zusammenhang mit den neuen Erkenntnissen" eine Neuverhandlung angeordnet. Nawalny selbst hatte eine Aufhebung des Urteils und die Einstellung des Verfahrens gefordert. Ein Teilziel hat der Oppositionspolitiker trotzdem erreicht. Theoretisch kann er nun wieder bei der Präsidentschaftswahl 2018 antreten. Die zwei anderen Vorstrafen, die er hat – eine in einem ähnlich gelagerten Fall um den Kosmetikkonzern Yves Rocher und eine wegen Verleumdung – gelten als geringfügig und behindern seine Kandidatur nicht. "Derzeit gibt es keine Hindernisse für seine Teilnahme an den Wahlen", bestätigte Nawalnys Anwalt Wadim Kobsew.

Politologen sind freilich skeptisch, ob Nawalnys Aussichten im Wiederholungsprozess wesentlich besser sind: Das Oberste Gericht habe rein formell entschieden, er habe "keinen Optimismus" bezüglich eines neuen Urteils, sagte Boris Makarenko, Leiter des Zentrums für Polittechnologien. Ob Nawalny erlaubt werde, 2018 zu kandidieren, sei "mehr eine emotionale als eine rationale Entscheidung", meinte der Leiter der Stiftung "Petersburger Politik", Michail Winogradow. Nawalnys Chancen bei einem Antritt wären ohnehin gering. Jüngsten Umfragen zufolge wünschen sich 63 Prozent der Russen, dass Wladimir Putin bis (mindestens) 2024 weitermacht.

Der russische Präsident hat zugleich mit seinem neuen Ukas Russland weiter von der internationalen Rechtsprechung abgekoppelt. Hat die Duma erst jüngst wieder – auch aufgrund der vielen für Moskau ärgerlichen Vorschriften des EGMR – den Vorrang nationalen Rechts vor internationalem eingeführt, so verabschiedet sich Russland nun auch endgültig vom Projekt des Internationalen Strafgerichtshofs.

Moskau lehnt Den Haag ab

Der Kreml übt seit längerem scharfe Kritik am Gericht in Den Haag. Moskau hatte kurz nach Amtsantritt Putins anno 2000 zwar die Vereinbarung über die Beteiligung am Internationalen Gerichtshof unterzeichnet, das Papier aber nie ratifiziert. Putin hat nun endgültig das Statut des Haager Strafgerichts gekündigt. Moskau erkennt damit dessen Urteile nicht mehr an.

Auslöser der Entscheidung dürfte ein gerade erschienener Bericht des Gerichtshofs über die Ereignisse auf der Krim und im Donbass-Gebiet gewesen sein. Die Chefanklägerin Fatou Bensouda qualifizierte dort den russischen Anschluss der Krim als bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Auch die Krise im Donbass weise Anzeichen eines internationalen bewaffneten Konflikts auf, so Bensouda.

Russlands Ausstieg sei durch seine "nationalen Interessen" begründet, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. Der Bericht über die Krim und den Donbass widerspreche der Realität; allerdings sei dies nicht der Grund für den Ausstieg gewesen, fügte er hinzu. (André Ballin aus Moskau, 16.11.2016)