I'm a legal alien: Eddie Redmayne reist als Englishman mit bedenklichem Handgepäck nach New York, wo sich schon Jahrzehnte vor Harry und Hermine die Zauberer tummeln. Und ein böses schwarzes Wollknäuel die Metropole in Schutt und Asche legt.

Foto: Warner

Wien – "Take that case out of New York." Ein guter Ratschlag zum Wohle der Allgemeinheit, denn tatsächlich hat dieser Koffer schon allerlei Unheil angerichtet. Oder besser gesagt sein Inhalt. Denn nicht nur ein unbeaufsichtigtes Gepäckstück kann auf öffentlichen Plätzen für Aufregung sorgen, noch gefährlicher wird es, wenn sich das lederne Ding wie von Geisterhand immer wieder wie von selbst öffnet. Das hat schon den Polizisten am Hafen bei der Einreise des jungen Mannes argwöhnisch blicken lassen, obwohl man erst 1926 schreibt.

KinoCheck

Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind verrät den Inhalt dieses Koffers bereits mit seinem Titel. Und schöpft dennoch daraus seine größten Überraschungsmomente. Immer wenn eine der beiden goldfarbenen Schnallen verräterisch in die Höhe schnalzt, kann man sich darauf einstellen, dass etwas Merkwürdiges oder Lustiges passiert. Also etwas, warum man ab einem Alter von ungefähr zehn Jahren gerne ins Kino geht. Manchmal geschieht auch etwas Gefährliches, aber das kommt dann als schwarze Wolke daher – nennen wir sie hier der Einfachheit halber Obscurus – und kann schon mal ganze New Yorker Straßenzüge in Schutt und Asche legen.

Nashörner und Drachen

Newt Scamander (Eddie Redmayne) heißt dieser Tollpatsch – nennen wir ihn am besten einen Magizoologen -, dem es nicht gelungen ist, seine im Zuge einer Exkursion erforschten magischen Tiere bei sich zu behalten, und der an einem Lehrbuch arbeitet, das Jahrzehnte später Harry Potter in Hogwarts studieren wird. Dass Phantastische Tierwesen dennoch kein typisches Prequel der Blockbuster-Serie geworden ist, liegt daran, dass Joanne K. Rowlings ihr Drehbuch zwar mit ausreichend Anknüpfungspunkten und Motiven zur Zauberlehrlingssaga versehen, ihr Universum im Grunde jedoch einfach retrospektiv erweitert hat.

Also tummelt sich auch hier das eine oder andere bekannte Potter-Geschöpf in einer New Yorker Parallelwelt, die nicht nur durch eine menschliche Organisation mit zerbrochenem Zauberstab als Symbol bedroht ist. Im Gegensatz zur über die Jahre immer düsterer gewordenen und sich an der Adoleszenz ihres Zielpublikums orientierenden Potter-Reihe zeichnet sich Phantastische Tierwesen durch eine erstaunliche Leichtigkeit im Detail aus: Hat eigentlich schon einmal jemand versucht, ein nashornähnliches Monstrum oder einen tonnenschweren Drachen in einem Handkoffer zu verstauen?

Marvel-Comic, ausgesprochen menschlich

Und dass es ausgerechnet einen unschuldig-sympathischen Zuckerbäcker (Dan Fogler) – wir nennen die Menschen diesmal nicht Muggel, sondern No-Maj – trifft, der Scamander als humoriger Sidekick begleitet, bietet dem Potter-erprobten Regisseur David Yates die Möglichkeit, jemanden an unserer statt ausreichend oft Bauklötze staunen zu lassen.

Abgesehen davon erinnert Phantastische Tierwesen bis zum späten Duell zwischen dem neuen Zauberhelden und seinem undurchsichtigen Gegenspieler (Colin Farrell) in seiner Grundidee eher an einen Marvel-Comic, der sich auf genügsame Weise mit der Idee von der Furcht vor dem Unbekannten beschäftigt. Das ist sicher nicht zum Fürchten. Die Fantasie zeitigt im Film dank Rowling jedenfalls ein ausgesprochen menschliches Ergebnis. Aber das war es in Rowlings Fall ja schon immer. (Michael Pekler, 16.11.2016)