Die "Huffington Post" schätzte Hillary Clintons Chancen auf einen Sieg noch am Tag der US-Wahl auf 98,5 Prozent. Diese "historische" Fehleinschätzung sei nicht daran gelegen, dass die Medien nicht genug darauf hingewiesen hätten, dass Donald Trump unvorbereitet und ungeeignet als oberster Befehlshaber der USA sei, sagt Lance Gould von der US-Ausgabe der "Huffington Post" bei einer Diskussion im Europaparlament zu den Lehren aus der US-Wahl, dem Brexit-Votum und dem Referendum in Kolumbien.

Man habe nichts verschwiegen und umsichtig über Trumps Schwächen und Fehler berichtet – und auch konservative Medien sahen Clinton in Führung. "Aber Trump war wie ein Supervirus", so Gould am Mittwoch. Jeder mediale Angriff habe ihn nur stärker und immuner gegen weitere Attacken gemacht.

Dieser Wahlkampf zeigte Gould zufolge auch, dass die USA in zwei abgeschirmte Blasen aufgeteilt sind, in die keine abweichende Meinung eindringen kann. Sie teilen zwar dieselbe Plattform, nämlich Facebook, leben dort aber in völlig unterschiedlichen Welten, die durch drei Dinge erschaffen werden: den Facebook-Algorithmus, der prinzipiell das zeigt, was in das bereits bekannte Schema des Like-Netzwerks passt. Außerdem die Facebook-Freunde, die zumeist die gleiche politische Einstellung teilen. Und schließlich Falschinformationen, die in der eigenen Blase kaum als solche erkannt werden. "Wenn die Meldung, dass der Papst Trump unterstützt, mehr als 800.000 Likes hat, wird sie wahr wirken", ist Gould überzeugt.

Klare politische Vision notwendig

Sozialen Medien kam auch im Brexit-Wahlkampf große Bedeutung zu. Die Leave-Kampagne konnte hier weitaus mehr Anhänger mobilisieren als die Brexit-Gegner. "Soziale Medien funktionieren sehr gut für monothematische Politik", sagt Matt Rogerson vom britischen "Guardian" bei der Veranstaltung im Rahmen der Konferenz "Politicians in a Communication Storm". Die Remain-Kampagne habe zugleich keine klare politische Vision verkörpert, außer dass es "irgendwie" ein Risiko wäre, die EU zu verlassen.

Drei Faktoren spielten Trump bei der US-Wahl laut Gould zusätzlich in die Hände: neben Sexismus einerseits seine Einschätzung, dass Clinton keine charismatische junge Führungsperson ist, und andererseits, dass sie ihre Basis nicht mobilisieren konnte. Das betrifft vor allem junge Wählerinnen und Wähler. Und das, obwohl die geringe Zahl junger Menschen, die an der Brexit-Abstimmung teilnahmen, bereits "eine große Warnung für die Clinton-Kampagne" hätte sein sollen, sagt Gould.

"Reale Teilhabe" für junge Menschen

Auch bei dem überraschenden Ausgang des Referendums in Kolumbien, in dem sich eine knappe Mehrheit gegen den Friedensvertrag mit der Farc-Guerilla aussprach, spielte die geringe Beteiligung junger Menschen eine große Rolle. Nestor Eduardo Chiliquinga Mazón vom Andenparlament fordert deshalb, dass junge Menschen Möglichkeiten einer "realen Teilhabe" bekommen und die Politik die Räume für eine solche Teilhabe schafft. Sie müssten Akteure statt "Figuren am Rande" werden, und ihre Meinung müsse in den politischen Gestaltungsprozess einfließen.

Die Lehre für Politiker aus dem Ausgang aller drei Abstimmungen war auf dem Podium eindeutig: den Umfragen nicht blind vertrauen, sondern im ständigen Kontakt mit den Bürgern bleiben und sichergehen, dass sie auch ihre Stimme abgeben. Und die Lehre für die Medien? Man müsse die Filterblasen durchbrechen, sagt Gould, "um zu sehen, wie das Leben auf der anderen Seite ist". (Noura Maan aus Brüssel, 16.11.2016)