Wien – Die Wiener SPÖ ist in diesen Tagen mit Kritik konfrontiert, die nicht nur von der Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen kommt. Der bereits länger schwelende Konflikt wird gern zu einem Richtungsstreit zwischen Innen- und Flächenbezirken hochstilisiert. So mancher im Rathaus vermutet jedoch ein simpleres Motiv: das Begleichen alter Rechnungen durch das einstige Faymann-Lager.

Denn es sind vor allem Personen, die als Vertraute des früheren Kanzlers Werner Faymann galten und gelten, die sich nun erneut zu Wort melden. Immerhin nahm die Demontage des Parteichefs im inneren Zirkel der Wiener SPÖ ihren Ausgang. Die Kritik an der Flüchtlingspolitik der Regierung und der Ärger über das schlechte Abschneiden des SPÖ-Kandidaten Rudolf Hundstorfer bei der Präsidentenwahl gipfelten in einer offenen Ablehnung beim Maiaufmarsch. Bevor Faymann den Hut nahm, lieferten sich die Genossen ein veritables Match.

Schon damals war es der frühere Wiener Landesparteisekretär Christian Deutsch, der sich hinter den angeschlagenen Chef stellte. Der rote Bezirksvorsteher der Donaustadt, Ernst Nevrivy, legte der stellvertretenden Wiener Klubchefin Tanja Wehsely sogar den Rücktritt nahe, da sie die Forderung nach einer Personaldiskussion an der Parteispitze erhob. Nevrivy und Deutsch sind auch jetzt wieder Akteure.

Deutsch: "Armutschauen" statt Lösungen

Letzterer meldete sich via Twitter zu Wort und höhnte darüber, dass Bundeskanzler Christian Kern und die Wiener Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely gemeinsam mit ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka zwar zum "Armutschauen" in die Gruft gingen, aber gleichzeitig keine einheitliche Lösung bei der Mindestsicherung zustande brächten.

Deutsch beteuerte am Mittwoch, dass seine Kritik nicht damit Rache für die Demontage Faymanns zusammenhängt. "Das ist blanker Unsinn", versicherte er im APA-Gespräch. Ihm gehe es um Inhalte, etwa Kindergärten, Gesundheitsversorgung oder die Frage, ob der Krankenanstaltenverbund ausgegliedert werden soll. Auch Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) habe hier tiefgreifende Reformen angekündigt – diese seien nun einzufordern, befand der einstige Parteimanager.

Auch Gerhard Schmid, SPÖ-Bundesgeschäftsführer unter Faymann und so wie Deutsch Wiener Gemeinderat, fügte sich in die Reihen der Kritiker ein. "Es gibt ein Unbehagen in der Partei und über die Partei", konstatierte er im Gespräch mit der "Presse". So werde über manche Themen "nicht ausreichend" diskutiert. Als Beispiel nannte er Wartezeiten in den Spitälern – also einen Bereich, für den Wehsely verantwortlich zeichnet.

Kritik an Wehsely, Frauenberger und Brauner

Kommende Woche findet eine turnusmäßige Vorstandssitzung der Wiener SPÖ statt. Die Erwartungen an diese sind zumindest medial hoch. In den vergangenen Tagen war darüber spekuliert worden, dass dort personelle Konsequenzen, welcher Art auch immer, gefordert oder gar vollzogen werden könnten. Auch eine am Donnerstag stattfindende Sitzung des Parteipräsidiums wird durchaus mit Spannung beobachtet.

Dass es tatsächlich zu maßgeblichen Rochaden kommt, gilt derzeit, so ist aus der Wiener SPÖ zu hören, als eher unwahrscheinlich. Es handle sich um eine eher kleine Gruppe des einstigen Faymann-Lagers, die hier versuche, über einige Medien Stimmung zu machen – vor allem gegen Frauen, wie beklagt wird. Denn tatsächlich werden immer wieder Sonja Wehsely sowie Integrationsstadtätin Sandra Frauenberger und Vizebürgermeisterin Renate Brauner von den Parteikritikern ins Visier genommen – etwa von Simmerings Bezirksparteichef Harald Troch im "Kurier" am Mittwoch.

Die SPÖ-Bezirksparteivorsitzende in Wien-Favoriten, Kathrin Gaal, zeigte sich darüber erbost, dass es in der Partei offenbar die Ansicht gebe, es würden vor allem Frauen kritisiert: "Darum geht es nicht, und auch nicht über personelle Debatten oder die Frage, ob man für oder gegen Rot-Grün ist." Vielmehr werde versucht, eine inhaltliche Debatte "abzudrehen". Diese sei jedoch offen und ehrlich zu führen, verlangte die SP-Chefin des zehnten Bezirks.

Budget als möglicher Knackpunkt

Laut APA-Informationen wurde auch befürchtet, dass einzelne Proponenten zudem versuchen könnten, die Absegnung des Stadtbudgets 2017 im SPÖ-Klub zu vereiteln. Tatsächlich stand der Klub im Rathaus dann bei der Abstimmung am Mittwoch nicht geschlossen hinter dem Stadtbudget. Das Zahlenwerk – das im Dezember im Gemeinderat behandelt wird – wurde am Mittwoch in der Klubvollversammlung mit fünf Gegenstimmen abgesegnet, berichtete Klubchef Christian Oxonitsch.

Die Gegenstimmen kamen dem Vernehmen nach ausschließlich aus der Donaustadt, Oxonitsch wollte das aber nicht bestätigen und begründete die Ablehnung mit speziellen Bezirksanliegen. Es habe sich um kein grundsätzliches Infragestellen des Budgets gehandelt, zeigte sich der Klubobmann überzeugt. Auch die internen Debatten seien kein Thema in der Sitzung gewesen, versicherte er.

Andere Kritiker, darunter auch Deutsch und Schmid, stimmten dem Budgetvorschlag hingegen zu.

Duzdar steht hinter Kern

Bereits vor der Sitzung hatte Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) ihre Bezirksparteikollegen aus der Donaustadt kritisiert. Sie lehnte die Gegenstimmen gegen den Budgetvoranschlag ausdrücklich ab.

Gleichzeitig verwies Duzdar darauf, dass es in ihrer Bezirksorganisation keinen formellen Beschluss gegeben habe, das Budget zurückzuweisen und es auch Mandatare aus der Donaustadt gegeben habe, die dem Entwurf die Zustimmung erteilt hätten. Sie stehe jedenfalls zu 100 Prozent hinter Bürgermeister Häupl und auch hinter Bundeskanzler und Faymann-Nachfolger Christian Kern (SPÖ). (APA, 16.11.2016)