Die Sprache der Diplomaten folgt bekanntlich ganz eigenen Gesetzen. Wenn nun also ein eher besonnener und abwägender Mensch wie der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vor laufenden Kameras in Ankara erklärt, er sei über die Vorwürfe der türkischen Seite "mindestens irritiert", dann darf man annehmen, dass Steinmeier eigentlich "seid ihr bescheuert?" ausrufen hätte wollen, das aber natürlich nicht tat.

Es war ohnehin ein äußerst schwieriger Besuch, die Lage ist angespannt. Deutschland betrachtet mit Sorge die Massenverhaftungen nach dem Putschversuch, den Umgang mit Presse- und Medienfreiheit sowie den Plan, die Todesstrafe wieder einzuführen. Die Türkei ist immer noch sauer wegen der Armenien-Resolution des Bundestags und der Straffreiheit für den Satiriker Jan Böhmermann.

Die Tiraden des türkischen Außenministers Mevlüt Çavusoglu und die Vorwürfe von Präsident Recep Tayyip Erdogan gegen Steinmeier lassen nicht die Hoffnung zu, dass die Türkei bald einen anderen Weg einschlagen könnte. Dass Steinmeier fast der Kragen platzte, ist nachvollziehbar, hilft aber auch nicht weiter.

Er persönlich will aber weiterhin Kontakt nach Ankara halten. Bald wird er dies nicht mehr als deutscher Außenminister tun, sondern als neuer deutscher Bundespräsident. Aber eines ist nach dem Besuch am Dienstag klar: Leichter wird es in der neuen Funktion auch nicht.(Birgit Baumann, 15.11.2016)