Jean-Clement Jeanbart: Mit Hillary Clinton wäre wohl klar gewesen, "dass sie die Politik der Zerstörung Syriens fortgesetzt hätte"

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Aleppo – "Wenn Ihr uns wirklich helfen wollt, dann beendet endlich diesen Krieg und lasst uns Christen weiter in unserer Heimat Syrien leben": Mit scharfen Worten hat der griechisch-katholische melkitische Erzbischof von Aleppo, Jean-Clement Jeanbart, im "Kathpress"-Interview die westliche Syrien-Politik kritisiert.

Die Menschen in Syrien, vor allem auch in Aleppo, würden seit fünf Jahren unvorstellbar leiden. In Aleppo lebten einst 3,5 Millionen Menschen. Jetzt sind es laut Erzbischof Jeanbart noch 1,5 Millionen. Von den 160.000 Christen sind nur mehr 60.000 in der Stadt. Die Stadt ist geteilt in einen westlichen Teil, der von der Regierung und ihren Verbündeten gehalten wird, und den östlichen Teil, in dem die "Rebellen" ihre Stellungen halten. Christliches Leben gibt es nur mehr im Westteil.

Die Christen fürchteten sich vor der Zukunft. Dass ihre Kinder unter der Herrschaft eines fundamentalistischen islamistischen Systems leben müssten, sei eine Horrorvorstellung für die Menschen.

"Wissen noch nicht, was er zu tun gedenkt"

Jeanbart erläuterte im "Kathpress"-Gespräch, weshalb die Menschen im Nahen Osten den künftigen Präsidenten Donald Trump weit positiver sehen würden als viele im Westen: "Das Positive an Trump: Wir wissen noch nicht, was er zu tun gedenkt." So gebe es möglicherweise die Chance auf eine künftig bessere Entwicklung. Mit Hillary Clinton wäre wohl klar gewesen, "dass sie die Politik der Zerstörung Syriens fortgesetzt hätte", sagte der Bischof.

Im Syrien-Krieg könne es keine militärische Lösung geben, zeigte sich Jeanbart einmal mehr überzeugt. Die Konfliktparteien müssen zurück an den Verhandlungstisch und Kompromisse eingehen. Freilich räumte der Bischof ein, dass es mit den fundamentalistisch-terroristischen Gruppierungen keine Verhandlungen geben könne, bzw. diese daran auch gar nicht interessiert seien. Moderate Rebellengruppen würde es zum Teil noch geben, diese würden aber kaum noch eine Rolle spielen. Die Situation sei extrem kompliziert und unübersichtlich – ein Dilemma.

Zur Aufnahme christlicher Flüchtlinge aus Syrien äußerte sich der Bischof zurückhaltend. Er sieht darin sichtlich keinen erstrebenswerten Weg. Wenn immer mehr Christen das Land verlassen, sei das ein schwerwiegender Verlust für das Christentum vor Ort und darüber hinaus für die gesamte syrische Gesellschaft, so Jeanbart. Gerade darum brauche es so dringend Frieden. (APA, 15.11.2016)