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Der am Montag festgenommene russische Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2014.

Foto: EPA/VALENTIN FLAURAUD

Der wegen Korruptionsverdachts festgenommene Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew wurde am Dienstag unter Hausarrest gestellt. Gleichzeitig wurde er per Dekret von Präsident Wladimir Putin abgesetzt; der Minister habe Putins "Vertrauen verloren", hieß es.

Offiziellen Angaben nach wurde Alexej Uljukajew am Montag bei der Entgegennahme von zwei Millionen Dollar Schmiergeld ertappt. Die Summe soll er von einem Vertreter des Staatskonzerns Rosneft eingefordert haben; als Gegenleistung für ein positives Gutachten bei der Übernahme des Konkurrenten Baschneft.

Auf eine U-Haft wird verzichtet, weil Uljukajew in einer Gemeinschaftszelle Staatsgeheimnisse ausplaudern könnte. Bei einer Verurteilung drohen dem 60-Jährigen bis zu 15 Jahre Haft. Er selbst bezeichnet sich als unschuldig.

Allein die Festnahme eines derart ranghohen Politikers ist ein Novum in Russland: Die Wellen schlugen daher hoch. Mehrere Kollegen äußerten sich schockiert und skeptisch. Der Vizechef der russischen Zentralbank Sergej Schwezow erklärte, Uljukajew sei der Letzte, dem er so etwas zutrauen würde. Die Vorwürfe nannte er "absurd". Der Leiter des Unternehmer- und Industriellenverbands Alexander Schochin schlug in die gleiche Kerbe: Nur ein Verrückter würde Rosneft-Chef Igor Setschin, einen der mächtigsten Männer Russlands, Bestechungsgeld abpressen wollen.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach zunächst von "sehr schwerwiegenden Vorwürfen, die sehr fundierte Beweise" benötigten. Später hieß es dann, dass Uljukajew bereits seit einem Jahr vom Geheimdienst FSB beschattet werde und Präsident Wladimir Putin "seit Beginn der operativen Überwachung informiert wurde". Die Geldübergabe soll der FSB nach Auswertung von Telefonaten Uljukajews eingefädelt haben. Die Meldung, Putin wäre über den Lauschangriff unterrichtet, dürfte dazu dienen, den Verdacht, er könnte in das System der grassierenden Korruption in Russland verwickelt sein, zu ersticken.

Medwedew ist geschwächt

Augenscheinlich nicht im Bilde war zumindest des Ministers direkter Vorgesetzter Premier Dmitri Medwedew, der von Putin zu einer Aussprache berufen wurde. Medwedew hat der Skandal offensichtlich geschwächt, der Wirtschaftsexperte Wladimir Milow hält eine Entlassung des Premiers allerdings für unwahrscheinlich.

Medwedew bleibt eine der Schlüsselfiguren im komplizierten informellen "Checks and balances"-System unter Putin. Der Politologe Alexander Morosow nennt daneben noch Rosneft-Chef Igor Setschin, Verteidigungs minister Sergej Schoigu und den Chef der staatlichen Industrie- und Rüstungsholding Sergej Tschemesow. Bemerkenswert, dass Setschin trotz seiner offensichtlichen Verwicklung in den Fall völlig unbeschadet daraus hervorgeht. Das Ermittlungskomitee jedenfalls bezeichnet Rosneft als Opfer in dem Schmiergeldskandal, die Baschneft-Übernahme wird nicht wieder aufgerollt.

Geschwächt wurde der bedingt liberale Flügel in der Regierung. Uljukajew gilt als einer der letzten dort verbliebenen Vertreter. Anfang der 90er-Jahre war er eine Zeitlang rechte Hand vom Autor der Schocktherapie, Premier Jegor Gaidar, später bekleidete er dann im Finanzministerium und in der Zentralbank hohe Posten, ehe er 2013 zum Minister berufen wurde. Sein Expertenruf hatte zuletzt darunter gelitten, dass er mehrfach das "Ende der Talsohle" deklamierte, nur um sich kurz darauf korrigieren zu müssen.

Ob Uljukajew nun selbst die Talsohle erreicht hat, ist nicht ganz klar. Einen für ihn hoffnungsvollen Präzedenzfall gibt es: Vizefinanzminister Sergej Stortschak, 2006 wegen Betrugsvorwürfen fast ein Jahr in Haft, wurde später wieder auf seinen Posten zurückbeordert. (André Ballin, 15.11.2016)