Sichergestellte Beweismittel in einem Fall von grenzüberschreitendem Prostitutionshandel. Sechs Beschuldigte, vorwiegend chinesische Staatsbürger, wurden festgenommen.

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St. Pölten/Wien – Niederösterreichische Kriminalisten haben in Zusammenarbeit mit Kollegen aus mehreren anderen Bundesländern und dem Bundeskriminalamt einen Fall von grenzüberschreitendem Prostitutionshandel in großem Stil geklärt. Die Landespolizeidirektion Niederösterreich berichtete am Montag von etwa 150 mutmaßlichen Opfern. Sechs Beschuldigte, vorwiegend chinesische Staatsbürger, wurden am Freitag festgenommen. Nach Angaben eines Kriminalisten sind fünf Frauen und ein Mann in Haft.

Die Frauen, die den Ermittlungen zufolge ausgebeutet wurden, stammten ebenfalls aus China. Sie waren nach Polizeiangaben in ihrer Heimat mit dem Versprechen angeworben worden, in Europa unter anderem als Masseurin oder Kindermädchen arbeiten zu können.

Fahndung nach einem Verdächtigen läuft noch

Die Beschuldigten wurden in die Justizanstalt Wien-Josefstadt eingeliefert. Einer von ihnen ist laut Polizei voll geständig, zwei sind demnach teilgeständig. Drei weitere bestreiten jegliche Tatbeteiligung. Nach einem weiteren Verdächtigen wird noch gefahndet.

Die sechs Festnahmeaufträge und außerdem 13 Hausdurchsuchungen waren in Wien und Kärnten vollzogen worden. Dabei wurde laut Landespolizeidirektion Niederösterreich zahlreiches Beweismaterial – unter anderem eine Faustfeuerwaffe, schriftliche Aufzeichnungen, Totalfälschungen von Identitätskarten, Falschgeld, Mobiltelefone, Computer und andere Speichermedien – aufgefunden. Bei drei Hausdurchsuchungen wurden außerdem insgesamt 30.000 Euro sichergestellt. Aufgrund von Aufzeichnungen gehen die Kriminalisten davon aus, "dass es sich dabei um einen Teilerlös aus der Ausbeutung der Opfer handelt".

Ermittlungen seit Jahresbeginn

Den Angaben vom Montag zufolge waren die Ermittlungen wegen des Verdachts des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung, grenzüberschreitenden Prostitutionshandels und der kriminellen Vereinigung seit Jahresbeginn gelaufen. Involviert waren die Landeskriminalämter Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Wien und das Bundeskriminalamt.

Den Erhebungen zufolge hatten zwei in Wien ansässige chinesische Staatsbürger intensiven Kontakt zu einer in der Heimat ansässigen kriminellen Organisation gehalten. Frauen aus China, die an einer vermeintlichen Beschäftigung als Masseurin oder Kindermädchen in Europa interessiert waren, mussten bis zu umgerechnet 10.000 Euro für ein Visum bezahlen.

Viele der Reisen endeten auf dem Flughafen Wien in Schwechat. Dort wurden die Opfer vom jeweiligen Begleiter zunächst unter Mitnahme ihres Gepäcks und der Reisedokumente zurückgelassen, ehe andere mutmaßlich der Organisation angehörige Chinesen auf den Plan traten und Hilfe anboten.

Zahlreiche Sexstudios betrieben

Vom Airport ging es entweder in ein Billighotel oder sofort in Wohnungen in Wien, die laut den Ermittlern meist im Eigentum der Beschuldigten standen oder von ihnen angemietet waren. Anschließend wurde den Frauen eröffnet, dass sie – gegen Zahlung von 1.000 Euro – unter Falschnamen um Asyl anzusuchen und in weiterer Folge die Prostitution auszuüben hätten. Die beiden in Wien ansässigen chinesischen Staatsbürger und die Mutter eines der Beschuldigten betrieben nach Polizeiangaben zahlreiche Sexstudios, wo die Opfer "angelernt" wurden.

Die Frauen seien von Landsleuten kontrolliert und finanziell ausgebeutet worden, berichtete die Polizei weiter. Den Opfern sei meist das gesamte Geld abgenommen, sie seien "ständig unter psychischem Druck gehalten und bedroht" worden. Die Chinesinnen seien auch in Laufhäuser in Niederösterreich, Oberösterreich, der Steiermark und in Kärnten gebracht worden. Von 171 ermittelten Frauen seien etwa 150 als potenzielle Opfer anzusehen.

Die Erhebungen in dem Fall dauern den Angaben vom Montag zufolge an. Allfällige weiter Opfer sind aufgerufen, sich mit dem Landeskriminalamt Niederösterreich (Tel.: 059 133 30 – 3333) in Verbindung zu setzen.

772 Rotlichtbetriebe in Österreich

Im Vorjahr wurden dem Bundeskriminalamt österreichweit 772 legale Rotlichtbetriebe gemeldet, sie werden als Bordelle, Laufhäuser, Saunaclubs, Go-go-Bars, Bars, Studios, Animierlokale und als Peepshows geführt. Die meisten Sexlokale, nämlich 329, gibt es in Wien. Gegen ein neues Laufhaus, das in der Wiener Innenstadt geplant ist, laufen derzeit heftige Anrainerproteste. Überdurchschnittlich viele Puffs haben auch die Steiermark (106) und Oberösterreich (103). Einzig in Vorarlberg gibt es keine Bordellgenehmigung, sondern nur 17 gemeldete Go-go-Bars.

7200 Prostituierte gemeldet

Die Anzahl der registrierten Sexarbeiterinnen in Österreich war zuletzt leicht rückläufig, von 7400 im Jahr 2014 auf 7200 im Vorjahr. Laut Bundeskriminalamt ist in allen Bundesländern festzustellen, dass zumindest im legalen Bereich kaum noch österreichische Sexdienstleisterinnen tätig sind. Etwa 95 Prozent der in Bordellbetrieben und am Wiener Straßenstrich tätigen Frauen sind Migrantinnen. Davon stamme die Mehrzahl aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Zur Dunkelziffer von illegalen Rotlichtlokalen und Prostituierten gibt es keine seriösen Schätzungen. (APA, simo, 14.11.2016)