Vor gut einem Jahr nahm man fassungslos zur Kenntnis, dass die Stadt Kundus in Nordafghanistan wieder an die Taliban gefallen war. Kaum verdünnte sich die internationale Truppenpräsenz, waren die Radikalislamisten, die einst Osama Bin Laden beherbergt hatten, auch in diesem Teil Afghanistans wieder da. Es war ihr größter Sieg seit 2001, als sie nach den Terrorangriffen von 9/11 von den USA gestürzt wurden. Das ist fünfzehn Jahre her.

Zwar wurden sie wieder aus der Stadt gedrängt, die Umgebung blieb jedoch Taliban-Land. Erst Anfang Oktober brachen sie wieder bis ins Stadtzentrum durch. Und gestern war das – im Vergleich mit anderen Hotspots – eher ruhige Mazar-i-Sharif dran, wo die deutsche Bundeswehr eine internationale Ausbildungsmission betreibt.

Die Kriege im Nahen Osten und in Nordafrika haben die Nachrichten aus Afghanistan in den Hintergrund gedrängt, die einzelne Lichtblicke bieten mögen, aber auf eines hinauslaufen: das große Scheitern des internationalen Versuchs, Afghanistan zu befreien und zu befrieden. In 31 von 34 Provinzen wird heute wieder gekämpft, die Menschen werden getötet, fliehen und gelten im Westen als die am schwersten integrierbaren Flüchtlinge. Weswegen dann Geberkonferenzen abgehalten werden – erst Anfang Oktober -, um Geld zusammenzukratzen, das diesmal aber ganz gewiss eine "Stabilisierung" bringen wird. Oder? Wie lange will man sich eigentlich noch in den Sack lügen? (Gudrun Harrer, 11.11.2016)