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Rumen Radew im Wahlkampf.

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Tsetska Tsatschewa bewirbt sich um das Präsidentenamt.

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Premier Boiko Borissow droht mit Rücktritt.

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Über sein Kobra-Manöver reden sie heute noch. Eine MiG-29 abbremsen und den elf Tonnen schweren Kampjet für einen Moment in der Luft steil aufrichten wie den Kopf einer Kobraschlange, gilt als ein Meisterstück der Flugakrobatik. Rumen Radew kann so etwas.

Vor zwei Jahren, bei der Flugschau in Sofia, hat der Chef der Luftwaffe das seinen Bulgaren gezeigt. Am Sonntag steht Radew in der Stichwahl um das Amt des Staatspräsidenten.

Radew bei der Airshow in Sofia.
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Der 53-jährige Militär ist das Thema an Bushaltestellen und auf Behördengängen. "Mögen Sie den General?", fragt ein älterer Beamter interessiert, der am Schalter ein Gespräch zwischen Besuchern über die Wahl aufgeschnappt hat. Er will gern Zustimmendes hören. Radew ist ein Profi, kein Politiker, heißt es. Politiker mag man auch in Bulgarien nicht.

Radews Sieg am Sonntag ist wahrscheinlich, sagen die Umfragen. Fast zehn Punkte Vorsprung soll der General im Ruhestand vor der Kandidatin der Regierung haben. "Es ist gänzlich mein Fehler", gestand der konservative Premier Boiko Borissow diese Woche ein. Zum ersten Mal habe er dem Populismus nicht nachgegeben, sondern die bestqualifizierte Person für das Amt des Staatspräsidenten ausgesucht, erklärte Borrisow vergrämt. Es wurde ihm nicht gedankt. Tsetska Tsatschewa, die Kandidatin der konservativen Regierungspartei Gerb und amtierende Parlamentspräsidentin, landete in der ersten Runde am vergangenen Sonntag abgeschlagen auf dem zweiten Platz. Und sie hat – anders als "der General" – Schwierigkeiten, Wähler außerhalb der Partei zu mobilisieren.

Borissow droht mit Rücktritt

Die Wahl ist keine Kleinigkeit: Unterliegt Tsatschewa, will der bulgarische Premier noch am Montagmorgen den Rücktritt seiner Regierung einreichen. "Wenn Radew Präsident wird, gibt es keine Arbeit für mich", erklärte Borissow. Mit der Minderheitsregierung im politisch zersplitterten Parlament in Sofia wäre es dann vorbei. Das ärmste Mitgliedsland der EU würde wohl in eine neue Phase der Instabilität stürzen – wie schon 2013. Auch damals warf Borissow alles hin, enttäuscht über Straßendemonstrationen und die Kritik an seiner Austeritätspolitik.

Denn Boiko Borissow, der übergewichtige frühere Karatekämpfer und Sicherheitsmann, ist eine leicht verletzbare Natur, so sagen Kenner in Sofia, die seine Jahre als Regierungschef seit 2009 verfolgt haben: nach außen hart, innen weich, und immer auf Bestätigung angewiesen. So sicher war sich Borissow dieses Mal seiner Sache, dass er seinen Wechsel ins Präsidentenamt für 2021 ankündigte. Tschatschewa (58), die Parteisoldatin, sollte lediglich eine Amtszeit lang den Sessel für ihn warmhalten. Unter den ungeliebten Politikern in Bulgarien ist Borissow immer noch derjenige, der am meisten Zustimmung erhält.

Wahlkampfthema Flüchtlinge

Den ehemaligen Luftwaffengeneral stellt die Regierung als Populisten hin, vor allem aber als russlandfreundliche Marionette der Oligarchen im Land. Radew weist das zurück. Er sei proeuropäisch, nicht prorussisch. Der Schutz der Grenzen vor Flüchtlingen aus der Türkei ist sein eigentliches Wahlkampfthema. Doch der General ist von der sozialistischen Oppositionspartei ins Rennen geschickt worden. Immer noch marschiert die Parteiführung der BSP jedes Jahr im September zum Denkmal der Sowjetarmee in Sofia und feiert den Einmarsch der Roten Armee in Bulgarien 1944.

In keinem anderen EU-Staat ist Russland wirtschaftlich fester verankert, heißt es in einer im Oktober veröffentlichten Studie zweier NGOs in Sofia und Washington. Bulgarien sei ein vom Kreml "gekaperter Staat". 27,5 Prozent der Wirtschaftsleistung Bulgariens waren 2012 mit Russland verbunden – Handel, Direktinvestitionen in Bulgarien, Aktienanteile an bulgarischen Unternehmen, Öl- und Gasimporte. Seither ist der Anteil wieder etwas gesunken.

Besonders der scheidende bulgarische Präsident Rossen Plewneliew hatte versucht, das kleine Balkanland auf Abstand von Moskau zu bringen. Borissow laviert eher, auf Wirtschaftsinteressen wie auf die Nostalgie der älteren Bulgaren Rücksicht nehmend. Radew wiederum empfiehlt sich als patriotischer Landesverteidiger, auch wenn die Befugnisse des Präsidenten beschränkt sind. Sein Kobra-Manöver aber ist eine der letzten sowjetischen Erfindungen, 1989 vorgeführt von dem Kampfpiloten Viktor Pugatschjow. (Markus Bernath aus Sofia, 13.11.2016)