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Frank-Walter Steinmeier mit Henry Kissinger. Der "Hassprediger" Donald Trump hat sich beim "weisen alten Mann" noch keine Ratschläge geholt.

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Elisabeth Käsemann wurde vom argentinischen Regime ermordet.

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Wohin wird Donald Trump in internationalen Fragen steuern? Darüber lassen sich noch immer nur Spekulationen anstellen. Als Reaktion auf den Wahlsieg des Republikaners erklärte der deutsche Außenminister in einem Interview über Spekulationen zu den außenpolitischen Zukunftsplänen des neuen US-Präsidenten, er habe sich schon "mehrfach mit Henry Kissinger" über mögliche Szenarien unterhalten. Doch: "Auch der weise alte Mann und ehemalige republikanische Außenminister, zu dem noch jeder amerikanische Politiker in der Hoffnung auf guten Rat gepilgert ist, wusste keine Antwort."

Sollte man sich tatsächlich wünschen, dass sich der unberechenbare Republikaner Ideen ausgerechnet von jemandem wie Kissinger holt?

Der Fall Käsemann

Am 24. Mai 1977 wird Elisabeth Käsemann gemeinsam mit mehr als einem Dutzend weiterer politischer Gefangener in ein Haus im Süden von Gran Buenos Aires gebracht. Die Opfer werden mit Schüsse in Genick und Rücken ermordet. Am nächsten Tag meldet die Tageszeitung Clárin den Tod von 16 Terroristen, die bei einem Feuergefecht mit der Polizei ums Leben gekommen seien.

Käsemann ist eines von rund hundert deutschen Opfern unter den 30.000 Ermordeten der argentinischen Militärdiktatur. Sie war bereits Anfang März von den Schergen von Diktator Jorge Rafael Videla verschleppt und seither im Geheimgefängnis El Vesubio gefoltert worden. Eine internationale Kampagne setzte sich für die Freilassung der politisch und sozial engagierten Frau ein, doch von ihrer Regierung in Bonn erhielt sie keine Hilfe: Die Geschäfte mit den faschistischen Militärdiktaturen Lateinamerikas waren wichtiger als das Leben einer Linken.

"Terroristenproblem"

Ein Jahr zuvor hatte sich Videla mit Wissen und Billigung Washingtons an die Macht geputscht. US-Präsident Gerald Fords Außenminister Henry Kissinger empfing mehrmals Vertreter der Junta. Admiral César Augusto Guzzetti, der Außenminister des Regimes, berichtete nach einem Treffen mit Kissinger im Sommer 1976 vom "Verständnis" seines Amtskollegen. Kissinger habe ihm gesagt, er hoffe, "die argentinische Regierung bekomme das Terroristenproblem so schnell wie möglich unter Kontrolle".

Zweifellos weiß auch Frank-Walter Steinmeier bestens über diese Geschichte Bescheid, genauso wie über die Hintergründe des Pinochet-Putsches in Chile, der lateinamerikanischen "Operación Cóndor", der Bombardierung Kambodschas in der Geheimoperation MENU oder der Invasion Indonesiens in Osttimor – überall dort trägt Kissinger direkt oder indirekt Mitverantwortung für abertausende Tote.

Welche Ratschläge sich Trump konkret holen sollte, verschwieg der deutsche Außenminister. Da sich Steinmeier aber offenbar mehr am ruppigen Auftreten des "Hasspredigers" stößt als am Machiavellismus des "weisen alten Mannes", sollte sich der neue Präsident wohl informieren, wie man eine weltweite Blutspur hinterlässt und trotzdem den Friedensnobelpreis erhält.

Merkels Bedingungen

Auch die Stellungnahmen der Regierungsvertreter von Steinmeiers Koalitionspartner CDU lassen darauf schließen, dass sich die deutsche Regierung sehr schwer mit Trump tun wird. Während sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vom Wahlergebnis "schockiert" zeigte, legte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Gratulationsstatement gleich einen Bedingungskatalog für eine Zusammenarbeit vor – demokratische Werte, die für sie zum Beispiel bei der Kooperation mit dem türkischen Despoten Recep Tayyip Erdoğan nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Auch bei Trumps Vorgänger hatte die Kanzlerin keine Bedenken wegen "Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen": Merkel akzeptierte die unter Barack Obamas Regierung exzessiv betriebene Totalüberwachung der deutschen Bürger durch US-amerikanische Geheimdienste und rang sich erst zu einem Protestchen durch, als bekannt wurde, dass sogar ihr eigenes Handy abgehört wurde. Der Drohnenkrieg Obamas hat die aktive Unterstützung Berlins.

Würde sich Merkels Regierung in ihrer eigenen Politik an den postulierten Werten orientieren, wären die mahnenden Worte an Trump ganz klar zu begrüßen. Doch so wirkt die demonstrative Besorgnis Berlins nur gespielt und scheinheilig. (Michael Vosatka, 13.11.2016)