Durch die Explosion wurden mehrere Gebäude zerstört

Foto: APA/AFP/FARSHAD USYAN

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Mazar-i-Sharif/Kabul – Nach der Explosion einer Lastwagenbombe vor dem deutschen Generalkonsulat im nordafghanischen Mazar-i-Sharif am Donnerstag ist die Zahl der Toten bis Freitagfrüh auf mindestens sechs gestiegen. Alle deutschen Mitarbeiter des Konsulats sind laut einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes "sicher und unverletzt".

Bisher seien fünf Leichen in das Krankenhaus eingeliefert worden, sagte der Chef des Zivilkrankenhauses der Stadt, Nur Mohammed Fais. Laut Polizeiangaben kam auch ein Attentäter ums Leben, als er vor dem Konsulat die Bombe zündete. Mehr als 120 Personen wurden laut Klinikangaben verletzt.

Der Journalist Bilal Sarwary berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, die deutschen Konsulatsmitarbeiter seien in das von der Bundeswehr geführte, etwa zehn Kilometer entfernte Camp Marmal gebracht worden. Im Generalkonsulat arbeiten etwa zwei Dutzend deutsche Mitarbeiter. Unklar ist, wie viele Talibankämpfer an dem Angriff beteiligt waren.

Ein Attentäter festgenommen

Am Freitag sei gegen 6 Uhr ein zweiter Attentäter entdeckt und festgenommen worden, Saied Sadat, der Polizeichef der Stadt. Der Mann sei unter Schutt begraben gewesen oder habe sich dort versteckt gehabt. Das deutsche Außenministerium sprach in einer Mitteilung von mehreren "schwerbewaffneten Angreifern", die "vom Sicherheitspersonal des Generalkonsulats, von afghanischen Sicherheitskräften und Sondereinsatzkräften von 'Resolute Support' zurückgeschlagen worden" seien.

Taliban-Anschlag war Vergeltungsaktion

Die Taliban begründen ihren Anschlag mit einer deutschen Mitverantwortung an einem blutigen US-Luftangriff, sagte Talibansprecher Sabiullah Mujahid Freitagfrüh der Nachrichtenagentur dpa. Deutschland sei an einem Luftangriff in der nordafghanischen Provinz Kunduz beteiligt gewesen, bei dem in der Nacht auf den 3. November mehr als 30 Zivilisten ums Leben gekommen waren.

Die Deutschen hätten den US-Streitkräften die notwendigen nachrichtendienstlichen Informationen zukommen lassen. Deshalb sei in der Nacht das Generalkonsulat angegriffen worden. Nach Auskunft der deutschen Regierung war die Bundeswehr an dem Luftangriff aber nicht beteiligt. Der Sprecher der US-Streitkräfte in Afghanistan, General Charles Cleveland, hatte der dpa nach dem Angriff per E-Mail bestätigt, dass die USA einen Luftangriff zum Schutz einer unter Beschuss geratenen afghanisch-amerikanischen Bodenoffensive ausgeführt hätten.

Der Talibansprecher sagte Freitagfrüh: "Wieso sollten wir die Deutschen nicht angreifen? Deutschland war direkt beteiligt an dem Luftschlag, der Zivilisten das Leben gekostet hat. Dieser Luftangriff beruhte auf nachrichtendienstlichen Informationen, die deutsche Soldaten den US-Truppen gegeben haben. Jeder weiß, dass sie noch ein Lager in Nordafghanistan haben. Deutsche Soldaten sind noch immer dort."

Auch Passanten unter Opfern

Medienberichten zufolge waren auch Passanten unter den Opfern. Ein Teppichmarkt neben dem Konsulat stand demnach in Flammen, auch über Stromausfälle in der Stadt wurde berichtet.

In Mazar-i-Sharif sind seit Mitte Oktober auch Bundesheer-Soldaten stationiert, die an einer von Deutschland geführten Ausbildungsmission für afghanische Sicherheitskräfte teilnehmen. Das Verteidigungsministerium begründet den Einsatz unter anderem damit, dass durch die Stabilisierung Afghanistans die Fluchtursachen bekämpft werden.

Österreicher in Sicherheit

Die drei Gebirgsjäger seien von dem Anschlag nicht betroffen gewesen, teilte Ministeriumssprecher Michael Bauer Donnerstagnacht mit. Sie sind in einem vom Generalkonsulat weit entfernten Camp untergebracht, das sie in der Nacht nicht verlassen dürfen. Nach Angaben der dpa sind in dem Lager etwa 1.000 deutsche Soldaten stationiert.

Unmittelbar nach der Explosion um 23.05 Uhr Ortszeit schickte die deutsche Bundeswehr Einsatzkräfte zum Anschlagsort. Laut einem Provinzsprecher wurde der Tatort abgeriegelt, das Sicherheitspersonal des Konsulats habe afghanischen Sicherheitskräften den Zutritt zum Gelände verweigert. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier berief den Krisenstab seines Ministeriums ein.

Kritik an Nato-Luftangriff

Vor einer Woche waren bei einem Nato-Luftangriff auf Taliban in Kunduz mehr als 30 Zivilisten getötet worden. 19 weitere wurden verletzt. Der Angriff löste international Kritik aus. Der Tod von Zivilisten sei nicht hinnehmbar und untergrabe die Bemühungen zum Aufbau von Frieden und Stabilität in dem Land, sagte der UN-Beauftragte für Afghanistan, Tadamichi Yamamoto, am Montag.

Die Nato hatte ihren Kampfeinsatz in Afghanistan Ende 2014 offiziell beendet und den afghanischen Sicherheitskräften die Verantwortung für die Sicherheit übergeben. Die verbleibenden Truppen konzentrierten sich seitdem auf Ausbildung, Beratung und Unterstützung von Anti-Terror-Einsätzen. Mehrere Rückschläge im Kampf gegen die Taliban ließen aber Zweifel an der Schlagkraft der afghanischen Polizei und Armee aufkommen. (red, APA, AFP, 10.11.2016)