Mit falscher Passnummer eine Wahlkarte beantragen – einigen Journalisten ist das gelungen.

Foto: APA/Techt

Frage: Das Wahljahr ist geprägt von Schlampereien und Pannen. Was sorgt aktuell für Aufregung?

Antwort: In dutzenden österreichischen Gemeinden – die genaue Zahl ist weder dem Innenministerium noch dem Gemeindebund bekannt – können Bürger ihre Wahlkarte über die Plattform wahlkartenantrag.at anfordern. Laut "Salzburger Nachrichten" und nzz.at war es möglich, über die Suchfunktion der Seite mit Name, Geburtsdatum und Heimatgemeinde sowie einer gefälschten Passnummer die Wohnadresse einer Person herauszufinden und auch, ob sie einen Wahlkartenantrag gestellt hat oder nicht. Hinter der Plattform steht die private Firma Comm-Unity EDV GmbH, eine Tochter der Raiffeisenbank. Inzwischen wurde das Datenleck geschlossen.

Frage: Gab es auf der Seite nicht zuvor schon Probleme mit falschen Passnummern?

Antwort: Mehrere Journalisten hatten über die Plattform versucht, erfundene Passnummern anzugeben. Zugestellt werden dürften fehlerhaft beantragte Wahlkarten laut Innenministerium aber nicht, da die Gemeinden dafür sorgen sollten, dass sämtliche Anträge kontrolliert und die Daten mit dem Identitätsdokumentenregister abgeglichen werden. Eine Verpflichtung besteht dazu allerdings nicht. Das Onlineportal nzz.at berichtet, dass in Wien inzwischen eine Wahlkarte zugestellt wurde, obwohl eine falsche Passnummer angegeben worden war. Vonseiten der zuständigen Firma wurde nun erklärt, dass die "an sich gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Antragstellung mittels Reisepass derzeit nicht mehr unterstützt wird".

Frage: Wie sollen Fehler künftig vermieden werden?

Antwort: Die Überprüfung der Wahlkartenanträge liegt im Verantwortungsbereich der Gemeinden, wird im Innenministerium laufend betont. Geht es nach den Kommunen, soll sich das ändern: "Mit der Einführung des zentralen Wählerregisters muss es auch eine zentrale Plattform geben, über die die Daten geprüft werden. Das sollte direkt im Innenministerium passieren", sagt Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer im Gespräch mit dem STANDARD. Eine gemeinsame Anlaufstelle würde auch eine Verwaltungsvereinfachung darstellen, ist er überzeugt. Größere Städte wie Wien, Linz oder Graz verwenden für die Wahlkartenanträge derzeit eigene Systeme.

Frage: Findet der Vorstoß der Gemeinden auf Bundesebene Anklang?

Antwort: Ein Sprecher des Innenministeriums lässt bezüglich einer Zentralisierung der Antragsplattformen ausrichten, dass "zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Aussage" getroffen werden könne. Minister Wolfgang Sobotka (ÖVP) betonte am Donnerstag aber jedenfalls, dass nach Bekanntwerden des Datenlecks umgehend die Datenschutzbehörde informiert wurde.

Frage: Im Nationalrat wurde am Donnerstag nun der erste Teil der Wahlrechtsreform beschlossen. Was wird sich künftig sicher ändern?

Antwort: Besiegelt ist nun die Einführung eines zentralen Wählerregisters ab 2018. Das entsprechende Wahlrechtsänderungsgesetz erhielt die Zustimmung von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen. Ein zentrales Wählerregister ist eine bundesweite Wählerdatenbank. Derzeit gibt es nämlich 2.100 Wählerverzeichnisse – jede einzelne österreichische Gemeinde ist selbst dafür zuständig, darüber Liste zu führen, wer im Orts- oder Stadtgebiet wählen darf und wer nicht. Durch den Beschluss wird es künftig auch möglich sein, Volksbegehren unter Verwendung der Bürgerkarte oder der Handysignatur elektronisch zu unterstützen.

Frage: Was wird bei kommenden Wahlen noch anders laufen?

Antwort: Bei künftigen Urnengängen werden nun immer die Wahlkuverts ohne Lasche zum Einsatz kommen. Damit wird auf Dauer jenes Modell eliminiert, das durch den sich lösenden Klebestreifen die Verschiebung der Bundespräsidentenstichwahl notwendig gemacht hat. Eine weitere Neuerung wird kaum auffallen, da viele das auch bisher schon getan haben: Den Stimmzettel darf man nun auch gemäß Gesetz selbst in die Urne einwerfen, wenn man das wünscht.

Frage: Welche Änderungen sind bezüglich der Auszählung der Wahlkarten geplant?

Antwort: Die Briefwahlkuverts müssen am Tag nach der Wahl – ab neun Uhr – nicht mehr vom Bezirkswahlleiter persönlich geöffnet werden. Künftig gibt es auch die Möglichkeit, dass Hilfsorgane ihn dabei unterstützen. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder nennt die Neuerungen ein "wichtiges Kernstück" der Wahlrechtsreform. Um den Rest werde man sich gleich nach der Hofburgwahl im ersten Halbjahr 2017 kümmern, versprach er. (Katharina Mittelstaedt, 10.11.2016)