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Nervosität im Reich der Mitte.

Foto: REUTERS/Thomas Peter

Alle Welt schaltete wegen der US-Wahlen auf Krisenmodus. Nur China gab sich nach außen unbeteiligt – Normalität wie immer, als ob es das Wahlergebnis nicht berührte. In den Abendnachrichten des Staatsfernsehens wurde über den Sieg Donald Trumps erst nach zehn Minuten als dritte Meldung berichtet.

Die Hauptnachricht im CCTV hatte nichts mit Trump zu tun. Sie zeigte Präsident Xi Jinping, der minutenlang vom Pekinger Raumfahrtzentrum aus mit den beiden "Genossen Astronauten" Jing Haipeng und Chen Dong in ihrem in knapp 400 Kilometer Höhe fliegenden Raumlabor Tiangong 2 telefonierte. Peking plant, 2024 aus mehreren Modulen eine eigene Raumstation zu bauen, die dann als Einzige im All fliegen wird. Aus Altersgründen stellen die USA ihre Internationale Raumstation (ISS) ein. Wenn sie Astronauten in den Weltraum schicken wollen, müssen sie zuerst bei den Chinesen um Einlass anklopfen.

"Kein Einfluss"

Peking überspielte, wie wichtig es die US-Wahlen in Wirklichkeit nahm. Ein Regierungskommentator behauptete in der "Global Times" am Mittwoch, als die Stimmen noch nicht ausgezählt waren: "Das Ergebnis wird keinen großen Einfluss auf uns haben, egal wer gewinnt." Sollte es Trump sein, würde es bedeuten, dass er China "auf der Wirtschafts- und Handelsschiene" herausfordert. Falls Clinton gewinne, "wird sie uns strategische und geopolitische Hürden" aufstellen.

Die Wahlergebnisse, so der Kommentar weiter, würden "zu keinem extremen Wandel zwischen China und den USA führen, weder zum Besseren noch zum Schlechteren". Beide seien zu groß und zu abhängig voneinander. Die Zeit, als Washington bestimmte, wo es langgeht, "ist längst vorbei".

Das gelte auch für den Streit im Südchinesischen Meer. Die USA würden den Kürzeren ziehen, wenn sie ihre Hebel gegen China ansetzten. Sie hätten weder Myanmars (Burmas) Aung San Suu Kyi noch den philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte an sich binden können. "Ein Handelskrieg mit den USA steht nicht auf der Wunschliste Chinas. Es ist aber vorbereitet, sollte es zu einem solchen Szenario kommen."

Mehr Spannungen unter Clinton

Der einflussreiche Wirtschaftsforscher Mei Xinyu vom Handelsministerium schrieb am Tag der Wahl, dass Peking mit Trump besser zurechtkommen würde als mit Clinton. Unter ihr würden die politischen und militärischen Spannungen zunehmen. Dagegen sage Trump, er wolle als Präsident "die ideologischen Trennlinien der USA zu anderen Ländern aufheben".

Nicht alle nehmen Trump so wörtlich. Die staatliche Agentur Xinhua überschrieb ihren Kommentar mit der Warnung: "Washington muss sicherstellen, dass unter dem neuen Präsidenten die Beziehungen auf dem Gleis bleiben." Sie erinnerte an den historischen Klimawandel-Deal, den beide Staaten unterzeichnet haben. Trump hatte sich davon distanziert.

Drohungen Trumps

Chinas Eliten sind offenbar nach der Wahl verunsichert, woran sie bei Trump sind. Das berichteten Insider. Ökonom Zhu Ning sagte, niemand wisse, wie ernst Trumps Drohungen gemeint seien, 45 Prozent Strafzölle gegen Chinas Exporte zu erheben und Peking als Währungsmanipulator zu brandmarken.

Der Experte für internationale Beziehungen Wu Xingtang erwartet eine weltweite Zunahme populistischer Strömungen gegen die Globalisierung, die China schaden würde. Er warnte vor falschen Annahmen, dass die Spaltung der Gesellschaft in den USA ein Zeichen für den Niedergang der Supermacht sei. Besorgt zeigte sich Nordkorea-Forscher Zhang Liangui: Trumps Äußerungen, dass er sich nach Amtsantritt mit Nordkoreas Führer Kim Jong-un treffen wolle und Japan und Südkorea ermuntere, sich atomar zu bewaffnen, stünden im Raum. Die Folgen wären unvorstellbar. (Johnny Erling aus Peking, 10.11.2016)