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Putin (li., mit Obama) will mit Trump "konstruktiven Dialog".

Foto: AP / Andrew Harnik

Andernorts mag der Triumph von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen Schockmomente ausgelöst haben; in Moskau rief er hingegen Erleichterung hervor. Russlands Präsident Wladimir Putin schickte kurz nach Bekanntwerden der Entscheidung ein Glückwunschtelegramm an den Republikaner. Der Kreml-Chef konstatierte eine tiefe Krise in den russisch-amerikanischen Beziehungen, die nun hoffentlich durch gemeinsame Anstrengungen ebenso überwunden werden könne wie zahlreiche andere Probleme auf internationaler Ebene.

Die Herstellung "eines konstruktiven Dialogs zwischen Moskau und Washington, basierend auf den Prinzipien der Gleichberechtigung, des gegenseitigen Respekts und der wirklichen Berücksichtigung der Position des jeweils anderen" sei nicht nur im Interesse beider Völker, sondern weltweit, mahnte Putin an. Auch andere russische Politiker meldeten sich zu Wort: Populistenführer Wladimir Schirinowski veranstaltete in der Duma ein Festbankett zum Wahlsieg.

Senator Konstantin Kossatschow als Leiter des Außenausschusses im Föderationsrat, einer der führenden Köpfe der russischen Außenpolitik, zeigte sich überrascht und erfreut vom Sieg Trumps. "Ich gestehe, ich lag falsch in meinen Prognosen", schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Er habe nicht erwartet, dass Trump, der "gegen das System" angetreten sei, dieses auch besiegen könne. Nun öffne sich "ein Fenster der Möglichkeiten" für eine Verbesserung des bilateralen Verhältnisses, schrieb Kossatschow, warnte jedoch vor übertriebenen Hoffnungen. Trump hatte im Wahlkampf versprochen, die zerbrochenen Beziehungen zu Russland wieder zu kitten.

Lawrow will abwarten

Zurückhaltender gab sich Außenminister Sergej Lawrow: "Worte haben wir viele gehört. Wir werden ihn nach seinen Taten beurteilen", sagte er. Zugleich betonte er, Russland habe keinen Favoriten bei der Wahl gehabt.

Obwohl dies die offizielle Sprachregelung im Kreml ist, hätte der Wahlsieg Hillary Clintons die Spannungen zwischen Russland und den USA aller Voraussicht nach weiter verschärft. Clinton hatte im Wahlkampf Putin als "Tyrannen" gegeißelt und versprochen, Russlands "Aggression" einzudämmen.

Zusätzliches Öl ins Feuer goss der E-Mail-Skandal um Clinton, deren Account von russischen Hackern attackiert worden sein soll. Die russische Berichterstattung über Clinton war äußerst negativ. Kein Wunder, dass 54 Prozent der Russen erwarteten, dass sich die bilateralen Beziehungen unter ihr weiter verschlechtert hätten. Bei Trump erwarten das nur zwölf Prozent, während 34 Prozent auf eine Verbesserung hoffen.

Eine einhellige Meinung gibt es auch bei den Experten nicht: Während der Chefvolkswirt der Investmentbank Renaissance Capital, Charles Robertson, nun reale Chancen auf eine Abschwächung der Sanktionen gegen Russland sieht, ist der Präsident des Washingtoner Center on Global Interests, Nikolai Slobin, weniger optimistisch. "In der amerikanischen Elite gibt es einen negativen Konsens gegenüber Russland. Ich sehe für den künftigen US-Präsidenten keine Notwendigkeit, diesen Konsens zu brechen", sagte er.

Der Experte des Moskauer Carnegie-Zentrums Andrej Kolesnikow warnte vor der Unberechenbarkeit Trumps. Dieser gelte zwar als russlandfreundlicher, könne aber schnell und scharf seine Position ändern, meinte er.

Prüfstein Syrien

Viel dürfte davon abhängen, ob Moskau und Washington eine gemeinsame Lösung in Syrien finden. Zuletzt hatte es zwischen beiden Seiten diesbezüglich große Differenzen gegeben. Die von der russischen Luftwaffe und der syrischen Armee zuletzt noch forcierten Angriffe auf Aleppo hatten unter Verweis auf die hohen Opferzahlen unter Zivilisten heftige Kritik in den USA hervorgerufen. Russland seinerseits kritisiert mit dem gleichen Argument das Vorgehen in Mossul. (André Ballin aus Moskau, 9.11.2016)