Für die SPÖ gibt es beim Thema Mindestsicherung wenig zu gewinnen. Die schwarz-blauen Wünsche nach einer Schlechterstellung von Flüchtlingen kommen in der aktuell aufgeheizten Stimmung gut an. Auch die Forderung nach einer generellen Obergrenze stößt bei vielen, die nur einen schlecht bezahlten Job haben, auf Unterstützung. Aus strategischer Sicht ist die ÖVP also im Vorteil. Das weiß auch die SPÖ, sie war deshalb zuletzt bemüht, das Thema irgendwie vom Tisch zu bekommen.

Man konnte fast den Eindruck bekommen, dass sie fast alles beschließen würde, bis zur Selbstaufgabe. Bildlich gesprochen hat sich Sozialminister Alois Stöger der ÖVP zuerst zu Füßen gelegt und ist dann im Liegen noch zweimal umgefallen. Bei der Deckelung für arbeitsfähige Mindestsicherungsbezieher, die er anfangs noch für unzumutbar gehalten hatte, war der Minister plötzlich bereit, sie nicht nur den schwarzen Ländern zu ermöglichen, sondern auch für alle anderen verpflichtend einzuführen.

Bezeichnend war auch der Umgang mit Asylberechtigten. Zwar ist Stöger noch immer der Meinung, dass niedrigere Leistungen für sie verfassungswidrig wären, gleichzeitig hätten die Länder mit seinem jüngsten Vorschlag aber die Möglichkeit bekommen, genau solche Schlechterstellungen umzusetzen. Im Falle einer Aufhebung durch das Höchstgericht wäre die formale Verantwortung zwar bei den Ländern gelegen, die Bundesregierung hätte sich aber den Vorwurf gefallen lassen müssen, sehenden Auges in die Rechtswidrigkeit geschlittert zu sein.

Klar war aber auch: Selbst die roten Umfaller hätten nicht zu einem österreichweit einheitlichen neuen Bund-Länder-Vertrag bei der Mindestsicherung geführt. Zum einen würde die ÖVP so lange nachverhandeln wollen, bis 100 Prozent ihrer Forderungen umgesetzt sind. Stöger hat schon selbst treffend analysiert: "Wenn ich mich ganz ausziehen würde, würde die ÖVP verlangen, dass ich meine Haut auch noch hergebe." Zum anderen müssen neben der ÖVP und den Blauen in einigen Ländern auch die Grünen zustimmen. Deren Basis würde wohl noch viel weniger Verständnis für den im Raum stehenden Kompromiss haben als die rote.

Und selbst wenn es doch noch irgendwie zu einem neuen Vertrag kommen würde, ist auszuschließen, dass dann tatsächlich in ganz Österreich die gleichen Spielregeln gelten. Dort, wo die Blauen mitregieren, würde der Integrationsbonus selbstredend niedriger ausfallen als in rot oder grün regierten Ländern. Von Unterschieden bei zusätzlichen Sozialleistungen ganz zu schweigen.

Am Fleckerlteppich bei der Mindestsicherung würde sich also nichts ändern – mit oder ohne neuen Vertrag. Das ist eine logische Folge des föderalen Systems. Wenn man die Mindestsicherung zur Länderkompetenz erklärt, darf man sich nicht wundern, dass am Ende unterschiedliche Zugänge herauskommen.

Deshalb kann man auch gleich sagen: Eine Koalition aus SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen sprengt den Rahmen. Dabei kann nichts Sinnvolles herauskommen. Wenn der Kanzler nun das Scheitern eingesteht, ist das keine Schande. Es bringt der SPÖ nichts, sich über die Schmerzgrenze hinaus zu verbiegen. "Menschen brennen nicht für Kompromisse, sie brennen für Grundsätze und Haltungen", sagte Kern bei seinem Antritt richtigerweise. Mit roten Grundsätzen hatten die jüngsten Kompromissvorschläge nichts mehr zu tun. (Günther Oswald, 8.11.2016)