Wien – Drei Jahre ist es her, da war auf diesen Seiten die Ankündigung eines Konzerts von Lee Fields zu lesen. Am Ende stand der Satz: "Um in diesem Fach noch Besseres zu erleben, müssten schon Tote auferstehen." Als diese Behauptung im Zustand vorauseilender Euphorie hingeschrieben wurde, wurzelte sie in reiner Hoffnung, genährt lediglich von der Intensität seines Meisterwerks Faithful Man (2012). Als Lee Fields ein paar Tage später einen ausverkauften Saal mit offenen Mündern, verschwitzten Garderoben und besoffen von Glückshormonen zurückließ, hatten sich die wildesten Fantasien bestätigt. Der Mann ist eine Wucht.

Blutende Herzen und geschundene Seelen sind sein Metier. Der Soulsänger Lee Fields bestätigt auf seinem Album "Special Night" einmal mehr seine Klasse.
Foto: Sesse Lind

Lee Fields ist ein Soul-Star alter Machart, geschult während der Ochsentouren diverser Soulrevuen in den 1960er- und 1970er-Jahren, geeicht an Kollegen wie O. V. Wright, dem Urmeter des Deep Soul, mit dem der junge Fields noch auf Tour war.

Nun hat Lee Fields ein neues Album veröffentlicht, und am 17. Jänner 2017 wird er es live im Chaya Fuera in Wien präsentieren. Special Night heißt das Werk, quasi eine Verheißung.

Fields Kunst ist ein Expressionismus der Gefühle. Zwar geht der 1951 in North Carolina Geborene nicht mehr als junger Wilder durch, doch die Ökonomie, das Haushalten mit Zuspruch, die Balance und Dosierung von Abweisung, Verlangen und Verzweiflung zeitigt eine Dynamik, wie sie nur die großen Meister des Fachs beherrschen.

Sein Kollege Charles Bradley mag ob seiner desperaten Biografie größere Aufmerksamkeit genießen, Fields Musik steht jener Bradleys um nichts nach, mit Thomas Brenneck teilt man sich sogar das musikalische Mastermind. Doch Fields formuliert die Zwischentöne überzeugender als der fast schon brutale Tragöde Bradley. Elmer "Lee" Fields pflegt eine Subtilität und eine Raffinesse, die sich nicht immer schon beim Erstkontakt offenbart, sich später aber umso nachhaltiger einnistet.

Abstecher in die Clubmusik

Im Soulrevival der Nullerjahre gelang Fields eine zweite Karriere. Dass es mit klassischem Soul nicht immer ganz einfach war zu reüssieren, belegen in seiner Biografie einige Abstecher in die Clubmusik, in der er ebenfalls seine Stimme erhob und ein paar Hits landete. Doch während Sharon Jones und Charles Bradley einige Jahre später in kürzester Zeit eine globale Fangemeinde erobern konnten, hinkt Fields da etwas hinterher. An fehlender Qualität liegt das nicht.

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Fields hat schon Madonna ausgeholfen oder einem Bio-Picture über James Brown seine Stimme geliehen. Gut für ihn, wenn er mit solchen Jobs ein paar zusätzliche Dollars abgreifen konnte, seine eigentliche Berufung liegt aber in der Zusammenarbeit mit den Expressions, seiner Band.

Deep Soul ist das Fach der tiefen Empfindungen, der blutenden Herzen, der feuchten Augen, der geschundenen Seelen. Fields durchmisst sie auf Special Night, ohne sich auf seinem Routinepolster auszuruhen. Einen Schleicher wie Work To Do flutet er mit Herzblut, als ginge er zum ersten Mal in seinem Leben vor einer Angebeteten in die Knie.

Let Him In zeigt ihn als kontrollierten Funk-Gott, die Expressions präsentieren sich in Bestform ohne einen Ton zu viel zu spielen. Lieber den Ellbogen faul auf der Tastatur der Hammondorgel ausrasten lassen als zehn ehrgeizige Finger. Nicht einmal die am Ende auftauchende Flöte kann dem Song Schaden zufügen. Über große Strecken gefällt sich Fields im Midtempo und in Balladen. Sein Herzensthema erblüht da am prächtigsten: Precious Love, Lover Man – Titel wie Bekenntnisse, Songs wie Geständnisse. Dazwischen streut er einen Killer wie Where Is The Love. Seine Liebe, das steht fest, wird er uns im Konzert im Jänner spüren lassen. Das ist dieses Mal keine dreiste Vermutung mehr, sondern ein Versprechen. (Karl Fluch, 7.11.2016)