Cover des "Time Magazine" 1989.

Foto: Time Magazine

1991 erschien Bret Easton Ellis' Roman "American Psycho". Im Zentrum steht der erfolgreiche Wall-Street-Yuppie Patrick Bateman. Dieser liebt Genesis, geht ausschließlich in teuren Haubenrestaurants essen und verführt hübsche Models. Daneben quält er gern schwarze Obdachlose, foltert und vergewaltigt junge Prostituierte, und hie und da muss auch eine dran glauben. Das absolute Vorbild der Hauptfigur: Donald Trump.

Es scheint heute unvorstellbar, aber als ich vor zwei Jahren während meines Zivildiensts zum ersten Mal den Roman las, musste ich in Wikipedia erst einmal recherchieren, wer dieser Donald Trump eigentlich ist. Ein erfolgreicher Unternehmer also, den man in den Klatschspalten billiger Boulevardblätter findet oder auf dem Titelblatt des "Time"-Magazins. Außerdem hat er mitten in Manhattan ein 202 Meter hohes Phallussymbol errichten lassen, natürlich nach ihm benannt.

Gesellschaftliche Missstände

Mit Bateman hat Ellis einen Psychopathen erschaffen, der uns nicht recht als solcher erscheinen will. Vielmehr werden seine krankhaften Gewaltakte als Produkt unüberwindbarer Missstände der amerikanischen Gesellschaft dargestellt, wie der Titel bereits suggeriert. Anfangs schafft er es noch, sich durch kleine Tierquälereien zu beruhigen. Bald schon verfällt er aber so weit dem Wahnsinn, dass er Frauen während des Koitus zu Tode foltert. Bis er den Anschluss an die Realität völlig verliert. Und dafür gibt es gute Gründe.

Abseits der arabischen Diktaturen ist der Unterschied zwischen Arm und Reich kaum so präsent wie in New York. Bilder von hungernden Obdachlosen vor Apple-Stores gehören genauso zum Alltag wie pelztragende Millionäre, die an bettelnden Kindern vorbeischlendern. Damit kann man zurechtkommen, aber wie lang? Sich von einer solchen Realität abkapseln zu wollen wirkt nur verständlich.

Dem Wahnsinn verfallen

Mit einem seismografischen Gespür schien Ellis bereits Ende der 1980er-Jahre zu erahnen, wohin sich die Vereinigten Staaten bewegen werden. Verschwörungstheorien gewinnen an Popularität, Straßengewalt, Sexismus und Rassismus sind präsent wie eh und je. Zudem hat sich die Armut durch die Finanzkrise 2008 ganz neue Bevölkerungsteile einverleibt. Und wer den Wahlkampf verfolgt hat, die skurrilen Medienauftritte der Kandidaten, die unzähligen Skandale bis hin zu Hillbillys, die sich für den Bürgerkrieg wappnen, bekommt den Eindruck, dass hier ein Staat wirklich gerade dem Wahnsinn verfällt. Dabei klammern sich viele an das Idol Donald Trump wie Patrick Bateman.

Er geht in dieselben Restaurants wie Trump, kauft dieselben Anzüge und stellt Frauen mit derselben auftoupierten Frisur wie Ivana Trump nach. Die Frauen werden sowieso nur als Werkzeug zur Lustbefriedigung betrachtet. Wenn er will, greift er ihnen auch in den Schritt. Als er einmal zwei schwarze Jugendliche (natürlich mit dem N-Wort tituliert) auf der Fifth Avenue vor dem "stolzen" Trump-Tower betteln sieht, verspürt er sofort den Drang, sie "wegzublasen". Trump könne das tun, ohne einen einzigen Wähler zu verlieren, versichert uns dieser 25 Jahren nach dem Erscheinen des Romans. Erschreckend.

Literarische Kraft

An Ellis Beispiel zeigt sich einmal mehr, welche Kraft literarische Werke haben können. Der letzte Satz, "DAS IST KEIN AUSWEG", in Großbuchstaben geschrieben, sollte uns als Warnung dienen. Denn wer heute "American Psycho" liest, den mag ein ähnliches Gefühl überkommen wie Leser, die nach 1945 Thomas Manns "Mario und der Zauberer" studierten. Es bleibt nur zu hoffen, dass es diesmal am Ende nicht zu einem lauten Knall kommt. (Carlos Peter Reinelt, 8.11.2016)