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Ein New Beatle bei der "Sunshinetour": VW kann sich derzeit nicht über allzu viel Sonnenschein beklagen.

Foto: Reuters/Fabian Bimmer

Frankfurt/Wien – Das hat VW gerade noch gefehlt. Mit Berichten über das Auffliegen manipulierter CO2-Werte bei Audi und dem Bekanntwerden von Ermittlungen gegen Aufsichtsratspräsident Hans Dieter Pötsch erleidet Europas größter Autobauer einen herben Rückschlag in der Bewältigung seiner Krise. Doch viele der jetzigen Probleme sind hausgemacht, sagen Experten.

Das beginnt schon bei der Wahl von Pötsch zum Aufsichtsratschef kurz nach Auffliegen der Abgasaffäre vor gut einem Jahr. Der Österreicher gehört seit 2003 zur VW-Familie und war zuletzt Finanzchef des Konzerns. Auch wenn viele Wegbegleiter keine Zweifel an der Integrität und den Fähigkeiten des Managers hegen: Für die lückenlose Aufklärung der Vorgänge gilt er als glatte Fehlbesetzung. "Er hat einen massiven und unlösbaren Interessenskonflikt", meint dazu einer der führenden Experten für gute Unternehmensführung (Corporate Governance), Christian Strenger, zum Standard. Ermittelt wird wegen des Vorwurfs der Marktmanipulation.

Porsche als Verhinderer

Pötsch soll als damaliger Finanzchef das Auffliegen des Abgasskandals, der einen riesigen Kurssturz an den Börsen verursachte, zu spät kommuniziert haben. Immerhin hatte die Nachricht von den Ermittlungen der kalifornischen Umweltbehörde Carb zum Zeitpunkt der Unternehmensmitteilung schon zwei Tage lang die Runde gemacht. VW hält die Vorgangsweise hingegen für rechtens, und es gilt die Unschuldsvermutung.

"Die Familien Porsche und Piëch verhindern, dass ein unabhängiger Experte als Aufsichtsratspräsident VW kontrolliert. Man will zum Schaden des Unternehmens unter sich bleiben", meint Strenger, der jahrelang Mitglied der deutschen Corporate Governance Kommission war. Solche Gremien entwickeln Regeln, was für Betriebe schicklich ist.

Im Verbund mit Niedersachsen

Pötsch wurde – nach kurzem Intermezzo – als Nachfolger von Ferdinand Piëch installiert, der sich mit öffentlich geäußerter Kritik an Ex-VW-Chef Martin Winterkorn ins Out bugsiert hatte. Der Porsche-Clan hält die Mehrheit an Volkswagen, das Land Niedersachsen ist zweitgrößter Aktionär. Wenig überraschend verlautbarten der Haupteigner noch am Sonntag, hinter Pötsch zu stehen.

In die gleiche Kerbe wie Strenger schlägt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Der nahtlose Wechsel vom Vorstand an die Aufsichtsratsspitze widerspreche allen Regeln der Corporate Governance. "Das zeigt, wie die Familien Porsche und Piëch, das Land Niedersachsen und die IG Metall mit Macht umgehen", erklärte der Professor an der Universität Duisburg-Essen der Rheinischen Post.

Strafe hätte geringer ausfallen können

Auch Strenger nimmt Niedersachens Ministerpräsidenten und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil von der Kritik nicht aus. Es sei falsch, dass Weil laufend politische Urteile in der Öffentlichkeit fälle, meint der Experte. Er spricht damit positive Äußerungen des Politikers zur angeblichen Reduktion der Boni an, obwohl diese nur verzögert, letztlich aber verdoppelt würden.

Zudem sieht Strenger arge Verfehlungen bei der Zusammenarbeit mit den Behörden. Die Strafe in den USA (16,5 Mrd. Dollar) wäre nur halb so hoch ausgefallen, hätten die Wolfsburger das Verfahren nicht ständig verzögert und Fehler abgestritten. Zuletzt hatte VW auch noch mit der Aussage verstört, bei der Abgassoftware in Dieselmotoren handele es sich um "keine unzulässige Abschalteinrichtung nach europäischem Recht". Diese Auffassung sei vielleicht rechtlich korrekt, aber keinesfalls legitim, findet Strenger. (Andreas Schnauder, 8.11.2016)