STANDARD: Welchen Stellenwert nimmt die US-Präsidentschaftswahl in Polen ein?

Karolewski: Einen sehr hohen. Die USA sind für Polen extrem wichtig, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik. Sie werden als Garant für die Sicherheit angesehen – unabhängig von der ideologischen Ausrichtung der jeweiligen polnischen Regierung.

STANDARD: Und wer wäre aus Sicht Polens für diese Aufgabe besser geeignet?

Karolewski: Sowohl bei der Regierung als auch in der Bevölkerung hat sich eine ganz klare Präferenz für Hillary Clinton herausgebildet. Es gibt kaum Kontroversen darüber, dass Donald Trump als unberechenbarer und eher russlandfreundlicher Politiker die Sicherheit Polens nicht gerade erhöhen würde. Er stellt etwa den Beistandsartikel des Nato-Vertrags infrage, der für Polen und auch für die baltischen Staaten extrem wichtig ist.

STANDARD: Lässt sich Trump aber wirklich so eindeutig positionieren? Seine Aussagen zur Außenpolitik sind ja zumindest erratisch.

Karolewski: Es gibt auch eine persönliche Ebene: Der ehemalige Trump-Berater Paul Manafort war früher Berater des ukrainischen Expräsidenten Viktor Janukowitsch und hat auch Politiker in Russland beraten. Außerdem ist Trumps Unberechenbarkeit selbst ein Teil des Problems. Er sagt heute dies und morgen das. Es gibt ja sogar Vorwürfe, dass Trump sich in Wahrheit wie ein russischer Oligarch verhält und das Amt als Präsident dazu benutzen möchte, sein privates Vermögen zu vergrößern. Das wäre höchst gefährlich für jene Länder, die auf eine stabile und sicherheitsorientierte Politik der USA in Mittel- und Osteuropa bauen.

STANDARD: Die demokratische Kandidatin Hillary Clinton ist aber wohl auch nicht ganz nach dem Geschmack der rechtsnationalen polnischen Regierungspartei PiS.

Karolewski: Das stimmt, die PiS hat stets eher den Kontakt zu den Republikanern gesucht. Die Partei wurde 2001 eigentlich nach dem Vorbild der Republikaner gegründet – auch, was die ikonografische Ausrichtung angeht: Wenn man sich den ersten Kongress der PiS ansieht, dann merkt man, dass er stark an die Kongresse der Republikaner angelehnt war.

STANDARD: Wäre die ideologische Differenz also nicht doch belastend für das Verhältnis Polens zu einer Präsidentin Clinton?

Karolewski: Bill Clinton, der Hillary im Wahlkampf unterstützt, hat im September gesagt, dass Polen und Ungarn zu autoritären Staaten werden. Das ist auf heftige Kritik der polnischen Regierung gestoßen. Sympathien gibt es dort also nach wie vor für die Republikaner, aber eben nicht für Donald Trump. Wenn Hillary Clinton gewinnt, wird die jetzige Regierung Kontakte in der Demokratischen Partei suchen müssen. Das heißt: Egal wer gewinnt – für die jetzige polnische Regierung wird es nicht einfach.

STANDARD: Inwieweit unterscheidet sich der polnische Blick auf die US-Wahlen von jenem anderer Staaten Mittel- und Osteuropas?

Karolewski: Im Verhältnis zu den USA gibt es schon Unterschiede. Die Außenpolitik in Ungarn etwa fällt im Vergleich zu Polen eher prorussisch aus. Ich würde sagen, Polen ist da ähnlich wie die baltischen Staaten: Russland verfügt über Technologien, mit denen es von Kaliningrad aus eine No-Fly-Zone über dem Norden Polens und dem gesamten Baltikum einrichten könnte. Auch die Provokationen russischer Flugzeuge richten sich gegen Polen und die baltischen Länder, und eben nicht gegen Ungarn oder die Slowakei. (Gerald Schubert, 8.11.2016)