Im Wettstreit um das Präsidentenamt in den USA dominierte die Polemik. Auf der einen Seite geriet der Republikaner Donald Trump wegen seines Umgangs mit Frauen unter Druck, auf der anderen Seite die Demokratin Hillary Clinton wegen der illegalen Nutzung eines privaten E-Mail-Servers für offizielle Korrespondenz als vormalige Außenministerin. Um Programmatisches ging es nur selten, dabei gäbe es hier viel zu diskutieren.
Russland
Clinton bezeichnete Wladimir Putin bereits im Wahlkampf 2008 als KGB-Agenten, der "per definitionem" keine Seele habe. Als Außenministerin drückte sie zwar symbolisch einen roten Reset-Knopf, um den Neustart im Verhältnis zu Moskau zu zelebrieren – doch kurz vor ihrem Abschied aus dem Amt hinterließ sie dem Weißen Haus ein Memorandum, in dem sie prophezeite, dass es bald vorbei sein werde mit dem Tauwetter und man Putin, der eben den konzilianteren Dmitri Medwedew im Präsidentenamt abgelöst hatte, mit größerer Härte entgegentreten müsse. Ihre Kampagne beschuldigt den Kreml, die US-Wahl zugunsten Trumps beeinflussen zu wollen, indem er Hacker auf die Computer der Demokratischen Partei ansetzte.
Trump lobt Putin als "starken Führer", der sein Land im Griff habe und mit dem er gute Beziehungen anstrebe. Er spricht von einer neuen Partnerschaft mit Russland, etwa beim Vorgehen in Syrien. 75 Ex-Diplomaten von Rang haben ihm daraufhin in einem offenen Brief vorgeworfen, die Komplexität des Themas zu ignorieren und obendrein keinerlei Lernbereitschaft erkennen zu lassen. Dass die Parteizentrale der Demokraten von Hackern im Auftrag des Kreml attackiert wurde, erklärt Trump für Unfug: Ebenso gut könne es jemand gewesen sein, der 400 Pfund wiege und auf seinem Bett sitze.
Syrien
Clinton plädiert für die Einrichtung einer Flugverbotszone, zumindest im Norden des Bürgerkriegslandes. Damit geht sie weiter als Amtsinhaber Barack Obama, der Zusammenstöße mit der russischen Luftwaffe fürchtet. Generell scheint sie das Militär eher als Mittel zur Durchsetzung außenpolitischer Interessen zu sehen, als dies bei Obama der Fall ist. 2002 gab sie George W. Bush im Senat grünes Licht für den Einmarsch im Irak. 2011 gehörte sie, während der skeptische Obama zögerte, zu den treibenden Kräften der Intervention in Libyen. Die Entsendung von Bodentruppen nach Syrien schließt sie aber aus.
Obwohl Trump im Wahlkampf tönte, er werde vom IS kontrollierte Ölbohrtürme in Syrien in Grund und Boden bomben lassen, hat er bisher keine konkreten Pläne skizziert. Details anzukündigen, argumentiert er, würde bloß der Terrormiliz in die Hände spielen. Nach den Worten des Tycoons brauchte man 30.000 US-Soldaten, um den IS in Nahost zu besiegen. Ob ein Präsident Trump eine solche Streitmacht entsenden würde, bleibt offen.
Nato/Verteidigungspolitik
Clinton steht für eine Fortsetzung des Kurses Obamas, der auf die Zusammenarbeit mit den Alliierten setzt, statt Alleingänge wie unter Bush zu wagen. Die Nato nennt sie "eine der besten Investitionen, die Amerika je getätigt hat". Gleichwohl klagen US-Politiker, auch Demokraten, über europäische Partner, die zu wenig für Verteidigungszwecke ausgeben und der Supermacht damit eine zu schwere Last aufbürden. Eine Präsidentin Clinton dürfte ins selbe Horn stoßen.
Trumps Devise heißt "America first". Während Historiker daran erinnern, dass das der Slogan der Isolationisten im Zweiten Weltkrieg war, entgegnet Trump, er meine damit nur, dass Amerika für ihn an erster Stelle stehe. Das Nato-Bündnis will er so reformieren, dass es für Washington billiger wird. Wer von den USA verteidigt werden wolle, müsse dafür bezahlen. Würden etwa die baltischen Staaten von Russland angegriffen, käme er ihnen erst dann zu Hilfe, wenn er überprüft habe, "ob sie ihre Verpflichtungen uns gegenüber erfüllt haben".
Mit Blick auf die Atombomben Nordkoreas empfiehlt er Ländern wie Südkorea und Japan, sich selber nuklear zu bewaffnen, um nicht länger auf den US-Schutzschirm angewiesen zu sein.
Freihandel
Clinton hat sich unter dem Druck ihres linken Rivalen Bernie Sanders bewegt und ist nun gegen das transpazifische Handelsabkommen TPP, das sie als Außenministerin noch unterstützt hatte. Sie werde nichts unterschreiben, was auf Kosten amerikanischer Arbeitsplätze gehe. Die Formulierung lässt ihr einen gewissen Spielraum, auch mit Blick auf TTIP, das Freihandelsprojekt mit Europa.
Trump hingegen wettert regelmäßig gegen alle Freihandelsverträge, er sieht in ihnen den wichtigsten Grund für den wirtschaftlichen Abstieg der USA. Nafta, das 1994 in Kraft getretene Abkommen mit Kanada und Mexiko, würde unter ihm wohl gekippt. TPP hätte keine Chance, TTIP wohl auch nicht.
Einwanderung
Clinton will den schätzungsweise elf Millionen Immigranten, die illegal in den USA leben, den Weg zur Staatsbürgerschaft ebnen. Sie plädiert für eine Einwanderungsreform, wie sie bereits nach der Wahl 2012 vom Kongress in Angriff genommen wurde, dann aber an republikanischen Hardlinern scheiterte.
Nach Trumps harscher Rhetorik sollen Einwanderer ohne gültige Papiere deportiert werden, obwohl viele von ihnen Familien gegründet haben, ihre in den USA geborenen Kinder automatisch US-Bürger sind und eine Abschiebung Familien auseinanderreißen würde. An der Grenze zu Mexiko will er eine "unüberwindbare" Mauer bauen – und Mexiko soll dafür bezahlen.
Steuern
Clinton will Besserverdienende stärker belasten. Wer mehr als fünf Millionen Dollar (4,5 Millionen Euro) im Jahr verdiene, solle eine Sondersteuer ("Fair Share Surcharge") von vier Prozent zahlen. Wessen Jahreseinkommen eine Million Dollar übersteige, solle in jedem Fall mindestens 30 Prozent Steuern zahlen. Zudem sollen Abschreibemöglichkeiten begrenzt werden.
Trumps Pläne sehen vor, die Steuern für Unternehmen drastisch zu senken, von derzeit 35 auf 15 Prozent. Das soll Firmen dazu bringen, keine Arbeitsplätze mehr ins Ausland zu verlagern. Bei der Einkommensteuer will er den Spitzensatz von 39,6 auf 33 Prozent reduzieren. (Frank Herrmann aus Washington, 7.11.2016)