Sorgenvolle Blicke auf die Zukunft des Londoner Finanzdistrikts.

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London/Wien – Großbritannien ist bekanntlich kein Euromitglied, die großen Finanzgeschäfte in der Gemeinschaftswährung werden aber dennoch in London gemacht. Das könnte sich ändern, wenn Finanzdienstleistern von der Insel der freie Zugang zum Binnenmarkt verwehrt werden sollte. Die Folgen wären dramatisch. Von den Euro-Fremdwährungstransaktionen werden 45 Prozent in London abgewickelt. Der Umfang belief sich 2013 täglich auf durchschnittlich eine Billion Dollar.

Der Anteil an den Transaktionen von Zinsderivaten ist noch höher: Drei Viertel aller Eurogeschäfte finden in London statt. Das tägliche Volumen lag 2013 bei 927,8 Milliarden Dollar. Ohne den freien Zugang zum EU-Markt würde Großbritannien rund 70 Prozent des Geschäfts verlieren, schätzt die Oesterreichische Nationalbank. Kürzlich erklärte der französische Notenbankgouverneur François Villeroy de Galhau, dass für ihn die Fortsetzung des Clearings in Großbritannien nach einem Brexit schwer vorstellbar sei.

EZB klage schon einmal

Dass die Europäische Zentralbank in der Frage hart ist, hat sie schon einmal bewiesen. 2011 eingeführte Beschränkungen beim Clearing auf Euromitglieder landeten vor dem Europäischen Gerichtshof. Der entschied 2015 für London. Doch im Falle eines EU-Austritts der Briten gäbe es klarerweise eine völlig neue Ausgangslage. Welche Rechte Finanzdienstleister der City künftig haben werden, muss aber ohnehin als eine von vielen offenen Fragen im Rahmen der Brexit-Verhandlungen geklärt werden.

Viel wird dabei von der britischen Position zum Thema Personenfreizügigkeit abhängen – dem Hauptgrund für das geplante Ausscheiden aus der EU. Unionspolitiker haben bisher unisono dafür plädiert, dass ein Rosinenpicken für das Königreich nicht ermöglicht werden dürfe. Anders ausgedrückt: Wenn Großbritannien Zugang zum Binnenmarkt behalten wolle, müsse es auch den Zuzug von EU-Bürgern akzeptieren. Doch auch in diesem Punkt ist es für konkrete Ansagen noch viel zu früh. (as, 6.11.2016)