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Proteste gegen die Lohnungleichheit gibt es zahlreiche: Einen Bart – wie diese zwei Europaparlamentarierinnen – haben sie offenbar nicht nicht.

Foto: AP/Lutz

Für dieses Jahr erachten sie ihre Arbeit als erledigt. Sie, das sind "Les Glorieuses", ein Kollektiv französischer Feministinnen. Die "Glorreichen", wie sie sich ironisch nennen, rufen alle Lohnbezügerinnen auf, am Montag die Arbeit im Büro, am Fließband oder anderswo um exakt 16.34 Uhr niederzulegen. Laut den Statistiken des EU-Institutes Eurostat haben sie genau dann ihre Arbeitsleistung für dieses Jahr vollbracht – jedenfalls im Verhältnis zu ihren männlichen Berufskollegen. Die erhalten nämlich in Frankreich für die gleiche Arbeitszeit im Schnitt 15,1 Prozent mehr Lohn und müssten deshalb auch 15,1 Prozent länger arbeiten. Oder die Frauen eben 15,1 Prozent weniger lang.

"Wir haben die von Eurostat berechnete Lohnungleichheit herangezogen und sie auf die Zahl von 253 geleisteten Arbeitstagen bezogen, was einen Unterschied von 38,203 Tagen ergibt", rechnet das Kollektiv vor. "Diese Methode erlaubt uns, auf das Datum des 7. November 2016 um 16.34 Uhr und – seien wir präzis – 7,5 Sekunden zu kommen."

Viel Zuspruch

Auf dem Internetportal Facebook erhielt der Aufruf bis am Sonntag viel Zuspruch. 3500 Französinnen wollen an der Aktion "teilnehmen". Die Ministerin für Frauenrechte, Laurence Rossignol, hat ihr "meine ganze Sympathie" ausgedrückt. Teilnehmen kann sie selber nicht: "Es ist schwierig für eine Ministerin, etwas zu unterstützen, was einem Streikaufruf gleicht", räumt die linke Ministerin ein. In der Sache entspreche der Appell aber den Erkenntnissen ihres Ministeriums, wonach die Arbeitswelt "am meisten Ungleichheit und sexistisches Benehmen gegenüber den Frauen" produziere.

Das Kollektiv antwortete, es handle sich gar nicht um einen Gewerkschaftsstreik – an dem Regierungsmitglieder nicht teilnehmen dürften – , sondern "um eine neue Form des Militantismus". Vorbild sei eine ähnliche Aktion isländischer Frauenrechtlerinnen im Oktober gewesen. Die bedeutend zahlreicheren Französinnen hoffen in Europa noch mehr Beachtung zu finden: 13,8 Millionen Frauen bilden in Frankreich 48 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung.

Langsamer Rückgang

Im Land der "égalité", der Gleichheit, findet natürlich besondere Beachtung, dass die Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau auch im 21. Jahrhundert nur sehr langsam schwinden. Nach der jetzigen Entwicklung würde die Lohngleichheit der Geschlechter erst im Jahr 2186 erreicht, hat das Kollektiv der glorreichen Mathematikerinnen auch noch ausgerechnet, um anzufügen: "Wir wollen aber nicht 170 Jahre warten." Am Montag um 16.34 Uhr schreiten sie deshalb zur Tat und legen die Arbeit nieder – im Prinzip bis zum Jahresende. Oder wenigstens bis Dienstag. (Stefan Brändle, 6.11.2016)